Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnungspreise einer inländischen GmbH mit bosnischer Schwestergesellschaft: Fremdvergleich nach § 8 Abs 3 Satz 2 KStG bzw. § 1 AStG. keine Nachholung außerbilanzieller Zurechnungen der Vorjahre. Funktionsverlagerung. Berücksichtigung des zum Einstandspreis gelieferten und nach Bearbeitung im Rahmen einer mehrstufigen Fertigung wieder „zurückgelieferten” Materials. Kostenaufschlagsmethode. keine Berücksichtung einer auch andere Geschäfte einschließenden Wertschöpfungsanalyse. Begriff des „Standortvorteils”
Leitsatz (redaktionell)
1. Art. 10 des im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina fortgeltenden Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen berechtigt im Hinblick auf Verechnungspreise, die eine deutsche GmbH und ihre demselben Anteilseigner gehörende Schwesterkapitalgesellschaft in Bosnien-Herzegowina vereinbart haben, sowohl zur Anwendung der Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG als auch zur Anwendung des § 1 AStG.
2. Sowohl nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als auch nach § 1 AStG ist ein Fremdvergleich durchzuführen. Aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG (in der 2011 bzw. 2012 gültigen Fassung) beziehungsweise § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG (in der ab 2013 gültigen Fassung) hat in Fällen, in denen der Fremdvergleich nach den allgemeinen Grundsätzen der vGA und der Fremdvergleich nach den speziellen Grundsätzen des § 1 Abs. 3 AStG zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, eine außerbilanzielle Hinzurechnung auf der Basis der ungünstigeren Bestimmung zu erfolgen.
3. Unterbliebene außerbilanzielle Hinzurechnungen wegen in Vorjahren vorgenommener Funktionsverlagerungen können nicht in späteren Jahren nachgeholt werden. Weder das Rechtsinstitut der vGA noch § 1 AStG eröffnen eine Möglichkeit, das Abschnittsprinzip zu durchbrechen. Auch die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs sind nicht anwendbar, da die Hinzurechnungen außerbilanziell erfolgen.
4. Keine Funktionsverlagerung wird durch die bloße Entsendung von zwei Mitarbeitern oder dadurch bewirkt, dass die inländische Gesellschaft einem Kunden keine wettbewerbsfähigen Preise mehr anbieten kann und nunmehr die ausländische Schwestergesellschaft diesen Kunden beliefert. Wird das von der ausländischen Schwestergesellschaft zur Belieferung dieses Kunden benötigte Material von der inländischen Gesellschaft eingekauft, weil diese aufgrund der von ihr gekauften Mengen günstigere Einkaufspreise erhält und ohne Aufschläge zum Einstandspreis an die ausländische Gesellschaft weitergegeben, ist bei der inländischen Gesellschaft eine außerbilanzielle Gewinnzurechnung sowohl nach der Preisvergleichsmethode (§ 1 AStG) als auch unter Gesichtpunkt einer vGA gerechtfertigt (im Streitfall: vom Finanzamt vorgenommener Aufschlag von 5 % nach Wertung des Gerichts angesichts der nicht offengelegten Höhe der Einkaufsvorteile wohl eher deutlich zu niedrig).
5. Wird von der inländischen Gesellschaft im Rahmen einer mehrstufigen Fertigung an die ausländische Gesellschaft Material zum Einstandspreis geliefert und nach einer lohnintensiven Bearbeitung wieder an die inländische Gesellschaft zurückgeliefert, so muss die „Hinlieferung” des Materials nicht zu Hinzurechnungen führen, wenn die Nachteile der inländischen Gesellschaft aus den Materialverkäufen bei der Prüfung der Verrechnungspreise der Rückkäufe des bearbeiteten Materials hinreichend berücksichtigt werden; insoweit ist eine zusammenfassende Betrachtung zulässig.
6. Bei der Überprüfung der Verrechnungspreise der (Rück-)Käufe des inländischen Unternehmens ist die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden, wenn es keine Fremdvergleichswerte gibt, das Unternehmen unter anderem keinen Einigungsbereich (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG) ermittelt, zu seiner Verrechnungspreismethode im Wesentlichen nur allgemeine Ausführungen gemacht hat, die nicht den Anforderungen an eine brauchbare Methode zur Ermittlung der Verrechnungspreise genügen und wenn eine andere Methode, die zu realitätsnäheren Ergebnissen führt, nicht ersichtlich ist.
7. Eine vorgelegte Wertschöpfungsanalyse kann nicht berücksichtigt werden, wenn sie umfangreiche Geschäfte der Klägerin, die nichts mit den Geschäften mit der Schwestergesellschaft zu tun haben, in die Betrachtung mit einbezieht.
8. Unter Standortvorteil kann der „Mehrgewinn” im Vergleich zur reinen Inlandsproduktion verstanden werden. Bei diesem Begriffsverständnis wird mithin davon ausgegangen, dass der Steuerpflichtige bei einer reinen Inlandsproduktion einen Gewinn erzielen kann. Wurde die Produktion ins Ausland verlagert, da die Produktion im Inland nur mit Verlusten möglich war, führt die Verlagerung ins Ausland nicht zu einem solchen „Mehrgewinn” im Vergleich zur Produktion im Inland. Unter Standortvorteil kann jeder ökonomische Nutzen verstanden werden, der durch die Produktion an einem bestimmten Ort entsteht.
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