rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung nach Ergehen einer Fortsetzungsmitteilung. Voraussetzungen für Verfahrensruhe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die isolierte Anfechtung einer Einspruchsentscheidung, in der nach Ergehen einer Fortsetzungsmitteilung gem. § 363 Abs. 2 Satz 4 AO weitere Vorläufigkeitsvermerke aufgenommen wurden, ist zulässig, da sie eine eigenständige Beschwer enthält.
2. Wendet sich der Steuerpflichtige zugleich gegen den ESt-Bescheid, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig soweit bezüglich der streitigen Punkt entsprechende Vorläufigkeitsvermerkte im Bescheid aufgenommen sind.
3. Bei der Fortsetzungsmitteilung nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts, die nur im Rahmen des § 102 FGO überprüfbar ist.
4. Die Entscheidung des Finanzamts, das Verfahren fortzusetzen, da dem Steuerpflichtigen durch Aufnahme entsprechender Vorläufigkeitsvermerke im Bescheid ausreichend Rechnung getragen sei, ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Kläger nicht dargelegt, welche über die Vorläufigkeitsvermerke hinausgehende Relevanz die streitigen Fragen auf seine ESt-Veranlagung haben. Es ist nicht Zweck des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO, den Streitfall möglichst lange offen zu halten.
Normenkette
AO §§ 165, 363; FGO §§ 74, 102
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordung (AO) vorliegen.
Der Kläger erzielte im Streitjahr als Architekt Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und wurde vom Finanzamt (FA) München Abteilung V (Beklagter) unter dem Datum vom 31. März 2009 im Wesentlichen erklärungsgemäß veranlagt. Die Einkommensteuer (ESt) betrug … EUR. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen, der Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben i.H. der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des deutschen Bundestags, der Anwendung des § 24b Einkommensteuergesetz (EStG) sowie der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben, wobei die Vorläufigkeitsvermerke nur die Frage erfassten, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind.
Die gegen den ESt-Bescheid und den Bescheid über den Solidaritätszuschlag eingelegten Einsprüche vom 2. April 2009, die sich gegen die beschränkte Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen, die Nichtabziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG, die Nichtabziehbarkeit der Steuerberatungskosten, den Nichtansatz einer steuerfreien Kostenpauschale entsprechend der Pauschale für Abgeordnete, die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen, die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, die Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke und eine daraus resultierende Nichtigkeit der Steuerfestsetzung, den Erlass einer Teileinspruchsentscheidung gemäß § 367 Abs.3 AO und die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995 richteten, begründete der Kläger damit, dass die Vorläufigkeitsvermerke nur pauschal auf die Vorschrift des § 165 Abs. 1 AO Bezug nähmen und nicht konkret genug abgefasst seien. Die Vermerke bezögen sich zudem nur auf mögliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Vorschriften, nicht jedoch auf die Anwendung des einfachen Rechts. Gleichzeitig beantragte er das Ruhen des Verfahrens nach § 363 AO.
Mit Schreiben vom 22. April 2009 teilte das FA dem Kläger mit, der Einspruch gegen den Solidaritätszuschlagsbescheid ruhe nach § 363 AO. Im Übrigen werde ein Änderungsbescheid ergehen. Im weiteren Verlauf änderte das FA den ESt-Bescheid 2007 vom 31. März 2009 unter dem Datum vom 4. Mai 2009 dahingehend, dass es, wie im Schreiben vom 22. April 2009 angekündigt, die Vorläufigkeiten entsprechend dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 1. April 2009 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2009, 510) in den Änderungsbescheid aufnahm. Auf das BMF-Schreiben und den Änderungsbescheid wird ergänzend Bezug genommen. Den dagegen erneut eingelegten Einspruch vom 18. Mai 2009 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2009 als unzulässig zurück. Den Einspruch vom 2. April 2008 gegen den ESt-Bescheid vom 31. März 2009, der mit Schreiben vom 26. Mai 2009, auf das ergänzend Bezug genommen wird, um die Punkte Fortsetzungsmitteilung nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO bzw. der Wirkungen eines nachträglich beigefügten Vorläufigkeitsvermerks auf den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen und die Verfassungsmäßigkeit des Grund- sowie der Kinderfreibeträge ergänzt wurde, wies es mit Einspruchsentscheidung vom 9. September 2009, auf die ergänzend...