rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweis der Unrichtigkeit einer durch Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen. Verwertung einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren durch Urkundsbeweis
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Zeugenvernehmung, die in einem anderen finanzgerichtlichen Verfahren durch einen anderen Senat des Gerichts vorgenommen wurde, kann im Wege des Urkundsbeweises in das Verfahren eingeführt werden.
2. Die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde i. S. v. § 418 Abs. 1 ZPO kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der durch sie bezeugten Tatsachen erschüttert werden.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2, §§ 56, 90a; ZPO §§ 180, 418 Abs. 2
Tenor
Der Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2009 (Az. 7 K 3722/08) in Sachen Gewerbesteuermessbetrag 2003 und 2004 und Umsatzsteuer 2003 und 2004 wirkt als Urteil.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger gegen den Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2009 rechtzeitig einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat.
Der Kläger ist als selbstständiger Kfz-Gutachter tätig und wurde in den Streitjahren vom beklagten Finanzamt (dem Finanzamt) zur Abgabe von Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen aufgefordert. Nachdem er dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) stehenden Bescheiden über Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag vom 18. Oktober 2005 (2003) und 13. März 2006 (2004). In der Folge wurde für 2003 keine Steuererklärung eingereicht. Für 2004 wurden eine Gewinnermittlung und eine Umsatzsteuererklärung vorgelegt. Eine Gewerbesteuererklärung reichte der Kläger nicht ein, da er die Auffassung vertrat, keine gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Das Finanzamt erließ daraufhin am 25. August 2006 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheid für 2004. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb weiterhin bestehen.
Am 10. Juli 2007 führte das Finanzamt beim Kläger eine betriebsnahe Veranlagung durch. Der Prüfer schätzte den Gewinn aus Gewerbebetrieb für 2003 auf 60.000 EUR und für 2004 auf 50.000 EUR. Die Umsatzsteuer schätzte es auf 11.360 EUR für 2003 und auf 10.360 EUR für 2004. Aufgrund der Prüfung erließ das Finanzamt am 17. August 2007 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Er teilte insbesondere mit, dass die Schätzungen viel zu hoch und damit willkürlich und unzulässig seien. Die Steuerunterlagen könnten nicht vorgelegt werden, da diese in einem Prozess über Erbstreitigkeiten benötigt würden. Bei seinen Einkünften als Kfz-Gutachter handle es sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit und nicht um gewerbliche Einkünfte.
Das Finanzamt wies mit Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2008 den Einspruch als unbegründet zurück.
Dagegen erhob der Kläger Klage, ohne sie zu begründen. Eine Begründung sollte nachgereicht werden. Nach mehrmaliger erfolgloser Aufforderung zur Klagebegründung wurde dem Kläger mit Anordnung vom 5. März 2009 gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 30. April 2009 zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens gesetzt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Anordnungen dem Kläger am 11. März 2009 zugestellt. Da der Kläger innerhalb der gesetzten Frist keine Klagebegründung nachreichte, erließ der Berichterstatter am 7. Mai 2009 einen Gerichtsbescheid, in welchem die Klage als unzulässig abgewiesen wurde. Die Zustellung des Gerichtsbescheids erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14. Mai 2009 mittels Einlegen in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung durch die Postbedienstete E.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2010, bei Gericht eingegangen am 29. November 2010, hat der Kläger Wiedereinsetzung in das Verfahren und die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er sei aus unverschuldeten Gründen gehindert gewesen, gegen den Gerichtsbescheid fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen, da er diesen nicht erhalten habe. An seinem Anwesen befinde sich kein Briefkasten, der für den Empfang von Poststücken geeignet und ihm zugeordnet werden könne. Die gerichtliche Entscheidung sei ihm zu keinem Zeitpunkt formell ordnungsgemäß zugestellt worden. Hierzu legt er eine eidesstattliche Versicherung vor und beantragt die Postzustellerin Frau E als Zeugin zu vernehmen.
Der Kläger beantragt
die Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 2003 und 2004 und Umsatzsteuer 2003 und 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2008 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen. Es trägt vor, dass die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen erbringe und der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurku...