Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer atypisch stiller Gesellschaft. Schuldzinsenabzug
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegen die Voraussetzungen einer atpisch stillen Gesellschaft nicht vor, sind die Voraussetzungen der Feststellung der Verluste von Einlagen als Verluste aus Kapitalvermögen nach § 180 Abs. 2 Nr. 2a AO i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erst nach Feststellung des Jahresabschlusses und Berechnung des Verlustanteils des stillen Gesellschafters erfüllt.
2. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist.
3. Die Gesellschafter können Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen auch über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus abziehen (Anschluss BFH v. 8.4.2014, IX R 45/13).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; AO § 180 Abs. 1 Nr. 2a
Tenor
1. Die Bescheide jeweils vom 02.11.2007 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer und die Einspruchsentscheidungen vom 19.01.2011 werden geändert und für die Kläger folgende Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) festgestellt:
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2002 |
2003 |
2004 |
Kläger zu 1) |
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544,61 EUR |
Klägerin zu 2) |
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679,79 EUR |
1.584,01 EUR |
Klägerin zu 3) |
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280,06 EUR |
1.016,19 EUR |
Kläger zu 4) |
1.845 EUR |
1.845 EUR |
1.845 EUR |
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 85 %, der Beklagte zu 15 %.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Kläger den Verlust ihrer Einlagen an der GFI 2 Gesellschaft für Immobilienerwerb und Verwaltung mbH2 (im Folgenden GFI 2 GmbH) sowie die Finanzierungskosten der Einlagen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend machen können.
Die GFI 2 GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20.1.1997 gegründet. Gegenstand des Unternehmens waren Grundstücksinvestitionen aller Art, der An- und Verkauf sowie Verwaltung und Vermittlung von Immobilien und die Bauträgertätigkeit für Dritte. Gründungsgesellschafter war Herr H, der auch zum Geschäftsführer bestellt wurde. Im Jahr 1999 wurde Herr Hübner als Geschäftsführer abberufen und Herr AE zum neuen Geschäftsführer bestellt. Ferner übernahmen AE und JE im Jahr 1999 die Geschäftsanteile von Herrn Hübner.
Die Kläger zu 1) bis 3) beteiligten sich im Jahr 2003 an der GFI 2 GmbH. Der Kläger zu 1) leistete im Jahr 2004 eine Einlage in Höhe von 6.000 EUR. Die Klägerinnen zu 2) und 3) leisteten ihre Einlagen in Höhe von 13.986 EUR (Klägerin zu 2) und in Höhe von 14.700 EUR (Klägerin zu 3) im Jahr 2003. Der Kläger zu 4) beteiligte sich im Jahr 1999 an der GFI 2 GmbH und leistete eine Einlage in Höhe von 105.000 DM. Von der Einlage wurde eine ein Betrag in Höhe von 46.700 DM für eine Lebensversicherung des Klägers zu 4) überwiesen. Zu den Einzelheiten der vertraglichen Ausgestaltung der Beteiligungen wird auf die (allgemeinen) Vertragsunterlagen (Prospekt GFI 2, den „atypisch stillen Gesellschaftsvertrag, die Satzung und das Beitrittsformular) Bezug genommen.
In den Jahrsabschlüssen seit 1997 wies die GFI 2 GmbH in ihrer Bilanz folgende Positionen aus:
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31. 12. 1997 |
31.12.1998 |
31.12.1999 |
31.12.2000 |
31.12.2001 |
AKTIVA Anlagevermögen Sachanlagen |
63.867,– DM |
23.784,– DM |
1.241.947,50 – DM (ausweislich des Kontennachweises darin enthalten Anzahlungen auf Immobilien i. H. v. 1.238.274,50 DM) |
1.456.897,50– DM (ausweislich des Kontennachweises darin enthalten Anzahlungen auf Immobilien i. H. v. 1.453.274,50– DM) |
4.595,– DM |
Finanzanlagen |
91.466,64– DM |
1.062.604,90 – DM (ausweislich des Kontennachweises darin enthalten eine Beteiligung an der „Cocoa S. A.” i. H. v. 958.463,45 DM) |
105.973,68 – DM |
106.181,28– DM |
71.000,– DM |
PASSIVA Verbindlichkeiten |
9.933.594,60 DM |
20.964.747,84 – DM |
12.535.156,84 – DM |
21.167.743,27 – DM |
25.006.736,35 – DM |
Die Gewinn- und Verlustrechnung wies als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit folgende Beträge aus:
31. 12. 1997 |
./. 854.102,23– DM |
31. 12. 1998 |
./. 1.181.193,45– DM |
31. 12. 1999 |
./. 970.028,42– DM |
31. 12. 2000 |
./. 742.898,86– DM |
31. 12. 2001 |
./. 451.839,14– DM |
Ab dem Jahr 2002 wurden keine Jahresabschlüsse mehr erstellt.
Auf Antrag des Geschäftsführers vom 19.4.2004 wurde am 16.8.2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GFI 2 GmbH beim Amtsgericht Ingolstadt eröffnet. Nachdem die von den Anlegern eingezahlten Einlagen seit Gründung der GFI 2 GmbH im Wesentlichen für Provisionszahlungen an Herrn H verwendet wurden, war die GFI 2 zahlungsunfähig und überschuldet. Zu den Einzelheiten wird auf den Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 10.8.2004 Bezug genommen.
Im Jahr 2006 wurden Herr AE und Herr H u.a...