rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Häusliches Arbeitszimmer: Anderer Arbeitsplatz bei Bereitschaftsdienst am Wochenende
Leitsatz (redaktionell)
1. Muss ein Projektleiter für internationale Bauprojekte im Rahmen von Bereitschaftsdiensten auch an den Wochenenden erreichbar sein, darf er aber an den Wochenenden das Betriebsgebäude des Arbeitgebers nicht betreten und kann er seinen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber deswegen an den Wochenenden nicht nutzen, so steht ihm an den Wochenenden kein „anderer Arbeitsplatz” i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG zur Verfügung und kann er nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3, 1. HS EStG bis zu 1.250 EUR der Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehen, wenn er dort an den Wochenenden mit einem vom Arbeitgeber gestellten EDV-System, bestehend aus Laptop und Dockingstation sowie einer gesicherten Datenleitung nebst notwendiger Software, gesicherten Zugriff auf seine auf dem Server des Arbeitgebers hinterlegten Arbeitsunterlagen hat. Insoweit ist unerheblich, ob die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers notwendig ist.
2. Ob Werbungskosten getätigt werden, unterliegt grundsätzlich der Dispositionsbefugnis des Steuerpflichtigen; es kommt nicht darauf an, ob die Aufwendungen notwendig, üblich oder zweckmäßig sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b Sätze 1-3, § 9 Abs. 5, 1 S. 1
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 23.12.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 21.1.2015 werden dahingehend geändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.894 Euro berücksichtigt werden. Die Berechnung der neu festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Leiter Projektentwicklung International bei der … AG in …. Er wird mit seiner Ehefrau beim Finanzamt …, dem Beklagten, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Streitig ist, ob der Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Rahmen des Abzugs für einen am Wochenende fehlenden anderen Arbeitsplatz in Höhe von 1.250 Euro sowie Kosten für dessen Renovierung und Arbeitsmittel als weitere Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen kann.
In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung hatte der Kläger den Abzug mit einer Bestätigung seines Arbeitgebers vom 15.11.2013 geltend gemacht, wonach er den größten Teil seiner Tätigkeit im Home-Office erbringe. Dies änderte er im Einspruchsverfahren dahingehend, dass ihm der Zugang zum Betriebsgebäude an Wochenenden nicht möglich sei. Er sei dienstvertraglich aber auch zur ständigen Erreichbarkeit am Wochenende im Rahmen der ihm obliegenden Betreuung internationaler Projekte verpflichtet. Nach Ablehnung auch im aus anderen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid 2012 vom 23.12.2014 lehnte der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.1.2015 ab und führte zur Begründung aus, der Kläger verfüge in der Firma über einen anderen Arbeitsplatz; dass ihm dieser an den Wochenenden nicht zur Verfügung stehe, sei unbeachtlich.
Im Klageverfahren trug der Kläger vor, er sei im Streitjahr vor allem für die Errichtung eines …werks in … (Afrika) zuständig gewesen, wo er sich auch regelmäßig vor Ort aufhalten habe müssen (im Streitjahr 44 Tage; Auslandstage in den Vorjahren seit 2008 insgesamt 489). In seinem Arbeitszimmer habe er an Wochenenden eine Art Notdienst aufrechterhalten, was sich auch aus der präzisierenden Bestätigung seines Arbeitgebers vom 7.5.2014 ersehen lasse. Als Ansprechpartner mit Entscheidungskompetenz sei es für die auf anderen Konti nenten eingerichteten Baustellen unumgänglich gewesen, auch während des Wochenendes erreichbar zu sein. Das Betreten des Betriebsgebäudes sei ihm und den anderen Betriebsmitarbeitern aus versicherungsrechtlichen und organisatorischen Gründen freitags ab 21 Uhr sowie Samstags und Sonntags untersagt gewesen. Deshalb habe ihm der Arbeitgeber ein EDV-System, bestehend aus Laptop und Dockingstation sowie eine gesicherte Datenleitung nebst notwendiger Software zur Verfügung gestellt, um den gesicherten Zugriff auf seine auf dem Server des Arbeitgebers hinterlegten Arbeitsunterlagen zu haben.
Auf Anordnung des Gerichts nach § 79b Abs. 2 FGO lege der Kläger Luftbildaufnahmen des Werkes in …, Fotos seines Arbeitsraumes sowie Unterlagen für den Nachweis der Arbeitstätigkeit an Wochenenden des Streitjahres vor; hierauf wird Bezug genommen. Gerade die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Hardware, die zur Installation an einem festen Ort bestimmt sei, mache das häusliche Arbeitszimmer erforderlich. Deshalb gehe die Arg...