Entscheidungsstichwort (Thema)
Freiberufliche Tätigkeit oder Gewerbebetrieb eines Technikers ohne Ingenieurstudium
Leitsatz (redaktionell)
Eine Informationstechnikerin, die als freie Mitarbeiterin in der Mess-, Steuer-, Regelungs- und Leittechnik tätig ist und dabei Fachplaner in den Planungsphasen gemäß HOAI Entwurfsplanung, Ausführungsplanung und Vorbereitung bei der Vergabe unterstützt, übt keine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, sondern ist gewerblich tätig.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen einem Ingenieur ähnlichen Beruf im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ausübt und deshalb nicht der Gewerbesteuer gemäß § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) unterliegt.
Die 1952 geborene Klägerin absolvierte nach dem Besuch der Realschule eine zweieinhalbjährige Berufsausbildung zur Informationselektronikerin, die sie 1979 mit der IHK-Abschlussprüfung abschloss. Nach einer halbjährigen Tätigkeit als Technikerin in einem Elektroniklabor arbeitete die Klägerin vom 1. Januar 1980 bis 22. Mai 1987 zuerst als kaufmännisch-technische Sachbearbeiterin, dann als Projektsachbearbeiterin und später als Projektleiterin bei einem Unternehmen im Bereich Heizungs-, Lüftungs-, Klimaregelung, Gebäudeleittechnik. Zu ihren Aufgaben gehörte die Überwachung der vertragsgerechten Abwicklung der Zentralen Leittechnik und der regeltechnischen Projekte unter Berücksichtigung der Kosten-, Qualitäts- und Terminvorgaben. Von 1987 bis 2001 war die Klägerin bei der Firma … als freie Mitarbeiterin in der Abteilung Gebäudeautomation in den Bereichen Mess-, Steuer-, Regelungs- und Leittechnik tätig. Dabei unterstützte sie die Fachplaner vor allem in den Planungsphasen gemäß HOAI Entwurfsplanung, Ausführungsplanung und Vorbereitung der Vergabe, d.h. Mengenermittlung und Aufstellung von Leistungsverzeichnissen. Gemäß einem am 20. Juni 1997 abgeschlossenen Rahmenvertrag ist die Klägerin – nach eigenen Angaben ab 2001 – für die Firma … als freie Mitarbeiterin tätig.
Bis einschließlich 1998 gab die Klägerin für ihr als „Meß- und Regelungstechnik” bezeichnetes Unternehmen Gewerbesteuererklärungen ab und erklärte in den Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1998 vom 21. März 2000 legte die Klägerin Einspruch ein und vertrat nunmehr die Auffassung, dass sie einen einem Ingenieur ähnlichen Beruf und damit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine freiberufliche Tätigkeit ausübe, die nicht der Gewerbesteuer unterliege. Ab 1999 gab sie keine Gewerbesteuererklärungen mehr ab und erklärte in den Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt – FA –) folgte dem nicht und erließ am 9. Mai 2001 einen Gewerbesteuermessbescheid für 1999, gegen den die Klägerin Einspruch einlegte. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 9. August 2001). Das FA begründete die Einspruchsentscheidung u.a. damit, die Klägerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass ihre theoretischen Kenntnisse eine fachliche Breite umfassten, die denen entsprächen, die ein Fachhochschulabsolvent der Fachrichtung Elektrotechnik haben müsse. Auch sei die Klägerin nicht in einem für den Beruf eines Ingenieurs typischen Bereich tätig, da die Klägerin nur die Fachplaner bei der Entwurfs- und Ausführungsplanung unterstützte und selbst keine leitende Stellung habe.
Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, sie erbringe Leistungen, die denen eines Ingenieurs vergleichbar seien und auch als ingenieurgleiche Leistungen bezeichnet werden könnten. Gegenstand ihrer Tätigkeit sei – wie die von ihr vorgelegten Projektbeschreibungen zeigten – die Planung, Konstruktion und Realisierung von technischen Systemen. Dies sei nach der Definition der Aufgaben eines Ingenieurs durch den BFH (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BStBl II 1990, 337) eine typische Ingenieurtätigkeit. Die Klägerin legt eine Bestätigung der … vom 30. Juni 1998 vor, in der bescheinigt wird, dass die Klägerin die Fachplaner vor allem bei den Planungsphasen Entwurfsplanung, Ausführungsplanung und Vorbereitung der Vergabe gemäß der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) unterstütze. In einer weiteren Bestätigung der … vom 21. Juni 2001 bescheinigt diese, dass die Klägerin die Aufgaben eines Ingenieurs eigenverantwortlich wahrnehme und einem Ingenieur vergleichbare Kenntnisse besitze. Auch die in der vorgelegten Ausbildungs- und Tätigkeitsdokumentation (Anlage A 2 der Klagebegründung) enthaltenen Zeugnisse, Tätigkeitsbeschreibungen und Verträge belegten den einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnisstand. Die Tätigkeit der Klägerin sei ferner so geartet, dass sie ohne theoretische Kenntnisse in einer Breite, über die auch ein Hochschulabsolvent verfüge, nicht ausgeübt werden könne. Eine Spezialisierung auf einen Teilbereich der Ingenieurt...