Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für Kinder in Polen
Leitsatz (redaktionell)
Ein in Deutschland selbständig tätiger polnischer Staatsbürger gilt nur dann als Selbständiger, wenn er hier zugleich in einem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbständigen versicherungs- oder beitragspflichtig oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist (Verordnung – EWG – Nr. 1408/71, Anhang I Teil I Buchst. D). Ist das nicht der Fall richtet sich die Gewährung von Kindergeld ausschließlich nach polnischem Recht.
Normenkette
EStG § 65; EWGV 1408/71 Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13; EWGV 574/72 Art. 10 Buchst. a
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 23.09.2010; Aktenzeichen III R 42/08) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der verheiratete Kläger ist polnischer Staatbürger und betreibt seit Mai 2004 in der Bundesrepublik Deutschland eine selbständige gewerbliche Tätigkeit im Bereich des Handwerks. Er hat drei Kinder, S. (geb. am 03.02.1982), C. (geb. am 15.10.1984) und K. (geb. am 05.08.1993). Seine Ehefrau und die Kinder leben in Polen.
Am 13.02.2007 beantragte er zunächst Kindergeld für alle drei Kinder, dann nur noch für C. und K. (vgl. Schreiben vom 03.05.2007). Im Verfahren über seinen Kindergeldantrag legte er eine Bescheinigung vor, derzufolge seine Ehefrau in Polen Familienleistungen bezogen hat. In weiteren Bescheinigungen wurde mitgeteilt, dass der Kläger und seine Ehefrau bis dato kraft Gesetzes bezüglich der Renten- und Unfallversicherung sowie Kranken- und Mutterschaftsversicherung der Sozialversicherung für Landwirte unterliegen.
Die Beklagte (die Familienkasse) lehnte mit Bescheid von 20.07.2007 die Bewilligung von Kindergeld ab. Der Kläger sei in Polen sozialversichert und unterliege daher den polnischen Rechtsvorschriften (Art. 13 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71).
Nach erfolglosem Einspruch verfolgt der Kläger mit seiner Klage sein Begehren weiter, insbesondere hält er die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für nicht anwendbar.
Der Kläger beantragt sinngemäß
die Familienkasse unter Abänderung des Bescheids vom 20.06.2007 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2007 zu verpflichten, ihm Kindergeld für C. und K. ab Mai 2004 zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt
Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Einspruchsentscheidung vom 12.11.2007 und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Polen gehört seit dem 1. Mai 2004 zum Europäischen Wirtschaftsraum. Seitdem gilt für das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern – VO (EWG) 1408/71 – (aktualisierte Gesamtfassung in der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 … VO (EG) 118/97 –, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG-Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1, 13) i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1408/71 – VO (EWG) 574/72 – (aktualisierte Gesamtfassung in der VO (EG) Nr. 118/97, ABlEG Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1, 106).
1.1 Wer im Gebiet eines Mitgliedsstaates eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt zwar den Rechtsvorschriften des Tätigkeitsstaates (Art. 13 Abs. 2 Buchst. b VO (EWG) 1408/71). Ein in Deutschland selbständig tätiger polnischer Staatsangehöriger gilt aber nur dann als Selbständiger in diesem Sinne, wenn er – anders als der Kläger – hier zugleich in einem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbständigen versicherungs- oder beitragspflichtig oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist (VO (EWG) 1408/71, Anhang I Teil I Buchst. D).
1.2 Damit richtet sich die Gewährung von Kindergeld (Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71) im Streitfall ausschließlich nach polnischem Recht. Der Kläger hat nach der gemeinschaftsrechtlichen Regelung in Deutschland auch keinen Anspruch auf Teilkindergeld in Höhe der Differenz zwischen dem polnischen und dem deutschen Kindergeld. Differenzkindergeld erhielte er nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO (EWG) nur dann, wenn ihm Familienleistungen nach deutschem Recht zustünden und seine Ehefrau für die gemeinsamen Kinder in Polen Kindergeld beanspruchen könnte.
2. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Begründung des Gerichtsbescheids des Finanzgerichts München vom 15. Februar 2007 (5 K 661/06, juris), des Urteils des Hessischen Finanzgerichts vom 23. Mai 2007 (3 K 3143/06, EFG 2007, 1527) und der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2007 verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und ...