Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung des Splittingtarifs auf getrennt lebende Ehegatten im Wege der abweichenden Steuerfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO dahingehend ablehnt, dass für getrennt lebende Ehegatten der Splittingtarif angewandt wird, wenn im gerichtlichen Verfahren erstmals statt oder neben dem im Vorverfahren gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Gründen einen Anspruch auf abweichende Steuerfestsetzung aus persönlichen Gründen geltend gemacht wird.

 

Normenkette

EStG § 32a Abs. 5 S. 1, § 26 Abs. 1 S. 1; AO § 163; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 31.05.2011; Aktenzeichen III B 96/10)

BFH (Beschluss vom 31.05.2011; Aktenzeichen III B 96/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war im Streitjahr verheiratet, lebte aber seit ….3.1993 dauernd von seiner Ehefrau getrennt. Die am ….02.1990 und …04.1993 geborenen Kinder des Klägers lebten ab der Trennung der Eheleute bei der Mutter, befanden sich jedoch in Ausübung eines Besuchsrechts auch regelmäßig beim Kläger. Am ….05.1995 wurde die Ehe geschieden.

Mit Bescheid vom 08.01.1997 setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Einkommensteuer (ESt) unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und unter Anwendung der Grundtabelle auf … fest. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machte der Kl u.a. auch geltend, dass die ESt aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung (AO) abweichend auf …DM festzusetzen sei. Insoweit bezog er sich auf eine Stellungnahme seines steuerlichen Beraters, die dieser als Bundesbeauftragter der Interessengemeinschaft XY zu einem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 14/1513, Entwurf eines Gesetzes zur Familienförderung) gegenüber dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages abgegeben hatte. Ziel der Stellungnahme war die Herbeiführung einer steuerlichen Gleichstellung von sog. Halbfamilien mit intakten Familien. Die tarifliche ESt ermittelte der Kläger danach unter Anwendung der Splittingtabelle. Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 31.08.2000 mit, dass über seinen Antrag auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen außerhalb des Einspruchsverfahrens entschieden werde. Seinen Einspruch gegen den ESt-Bescheid nahm der Kl mit Schreiben vom 22.09.2008 zurück, nachdem das FA eine Verböserung angedroht hatte.

Mit Bescheid vom 11.10.2000 lehnte das FA den Antrag auf abweichende Festsetzung ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28.01.2009 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung bezieht sich der Kläger im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren.

Der Kläger beantragt,

das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 11.10.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2009 zu verpflichten, die ESt 2004 im Billigkeitswegeauf … herabzusetzen.

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht es sich auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. a) Gemäß § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Dabei lässt es § 163 AO nicht zu, dass sich die Finanzbehörden oder Gerichte allgemein zu dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn und Zweck einer Bestimmung in Widerspruch setzen. Er erlaubt eine abweichende Steuerfestsetzung nur, wenn die Erhebung der Steuer abweichend von den normalerweise unter den Steuertatbestand fallenden Sachverhalten im Einzelfall aus besonderen Gründen unbillig wäre. Diese besonderen Billigkeitsgründe können in der Person des Steuerpflichtigen oder in der Sache selbst liegen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH–vom 16.03.2000 IV R 3/99, BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372).

Die Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO sind Ermessensentscheidungen, die nur in den durch § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) gezogenen Grenzen überprüft werden können. Die gerichtliche Überprüfung bezieht sich im Fall der Versagung darauf, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die Ermessensgrenzen überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

b) Im vorliegenden Fall ist im Hinblick auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus persönlichen Billigkeitsgründen ein Ermessensfehler nicht ersichtlich. Denn persönliche Billigkeitsgründe hat der Kl zwar in der mündlichen Verhandlung angedeutet, jedoch im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht. In seinem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung vom 06.03.2000 beruft sich der Kl nur auf eine Ungleichbehandlung ...

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