rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erkennt das Finanzamt nachträglich, dass die Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsgutes bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr unterblieben ist, kann es eine bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern, die Ansparrücklage (§ 7g EStG) auflösen und als Zuschlag (Betriebseinnahme) behandeln
Leitsatz (redaktionell)
1. Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind auch alle Vorgänge, die nach Bildung einer Rücklage steuerliche Bedeutung haben. Tatsachen sind somit die Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor dem Schluss des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres (§ 7g Abs. 4 Satz 1 EStG) oder aber der Umstand, dass die Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsgutes bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr unterblieben ist und deshalb die Rücklage aufzulösen und als Zuschlag (Betriebseinnahme) zu behandeln ist (§ 7g Abs. 4 Satz 2 und Abs. 6 EStG).
2. Der Umstand, dass der Kläger in seiner Gewinnermittlung nur Abschreibungen für geringwertige Wirtschaftsgüter geltend gemacht hat und demzufolge keine Investition innerhalb der Zweijahresfrist des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG vorgenommen hat, stellt nur eine Schlussfolgerung dar und Schlussfolgerungen sind keine Tatsachen i.S. des § 173 AO.
3. Ebenso, wie bei Reinvestitionsrücklagen nach § 6c EStG (vgl. BFH, Urteil v. 10.4.1997, IV R 47/96 (NV), BFH/NV 1997 S. 757) hat auch der Steuerpflichtige, der die Steuererleichterung des § 7g EStG bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen hat, erhöhte Mitwirkungspflichten. Der Steuerpflichtige ist deshalb verpflichtet, in der Einkommensteuererklärung den Gewinnabzug nach § 7g Abs. 4 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 EStG durch Auflösung der Rücklage und die entsprechende Gewinnerhöhung durch eine Betriebseinnahme rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 6 EStG).
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 1 Nr. 2c; EStG § 7g Abs. 3-4, 6
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Streitig ist, ob die gewinnerhöhende Auflösung einer Rücklage nachträglich zulässig ist.
I.
Der Kläger ist Chefarzt eines Krankenhauses und erzielt daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielt er als Arzt freiberufliche Einkünfte.
Im Kalenderjahr 1996 erzielte der Kläger einen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 9.782 DM. Den Gewinn ermittelte er ebenso wie in den Folgejahren nach Einnahme-Überschuss-Rechnung. In der Gewinnermittlung für das Jahr 1996 war die Bildung einer Ansparrücklage in Höhe von 20.000 DM nach § 7g Abs. 3 und Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) (i.d.F. der Jahre 1996 und 1998) als Betriebsausgabe behandelt worden.
Der Kläger nahm in den folgenden Jahren keine begünstigten Investitionen vor.
In der, der Einkommensteuererklärung 1998 beigefügten Gewinnermittlung des Jahres 1998 (wie auch im Jahr zuvor) hatte der Kläger die Rücklage nicht gewinnerhöhend aufgelöst. Der entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung ergangene Bescheid für 1998 vom 3. Januar 2000 wurde bestandskräftig. Mit Bescheid vom 15. Juni 2000 änderte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – die Einkommensteuerfestsetzung für 1998 wegen zweier Mitteilungen über Grundlagenbescheide.
Nachdem das FA im August 2001 – anlässlich der Bearbeitung der Einkommensteuerveranlagung für 1999 – feststellte, dass der Kläger keine begünstigten Investitionen vorgenommen hatte, änderte es erneut die Einkommensteuerfestsetzung für 1998. Am 17. August 2001 erließ das FA einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998 und rechnete die Rücklage in Höhe von 20.000 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 2.400 DM (§ 7g Abs. 5 EStG) dem laufenden Gewinn als Betriebseinnahme hinzu. Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 14. August 2003).
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen den Änderungsbescheid. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien im Streitfall nicht erfüllt, da keine Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt gewordenen seien. Aus der Gewinnermittlung für das Jahr 1998 sei nämlich die Tatsache, dass kein bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens angeschafft worden sei, ersichtlich gewesen. Eine zur Änderung berechtigende neue Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO könne deshalb im Jahr 2001 nicht angenommen werden. Aber selbst wenn man von einer neuen Tatsache ausgehen wolle, sei eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gegeben, da das FA seine Ermittlungspflichten verletzt habe. Denn das FA habe von der Bildung der Rücklage im Jahr 1996 gewusst und hätte bereits bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 1998 beim Kläger nachfragen müssen, ob in Höhe der Ansparrücklage Investitionen getätigt worden seien. Da diese Ermittlungspflicht verletzt worden sei, sei die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1998 nach Treu und Glauben ...