rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für Steuerrückstände der GmbH
Leitsatz (redaktionell)
1. Zahlungsschwierigkeiten oder die Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person ändern nach ständiger Rechtsprechung des BFH weder etwas an den steuerlichen Pflichten ihres gesetzlichen Vertreters, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser Pflichten aus.
2. Reichen die Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht aus, sind die rückständigen Umsatzsteuerbeträge und Nebenleistungen vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern (BFH v. 26.4.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776 m. w. N.). Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme).
Normenkette
AO § 149 Abs. 1, § 162 Abs. 1, § 37 Abs. 1, § 69 Sätze 1-2; UStG § 18; AO § 34
Tenor
1. Unter Aufhebung der Haftungsforderungen für Verspätungszuschläge (971 EUR) sowie Zinsen zur Umsatzsteuer (272 EUR) und unter Änderung des Haftungsbescheids vom 22. November 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2006 wird die Haftungsschuld auf 14.796,90 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 12/13, das FA zu 1/13.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Klägerin zu Recht für Steuerschulden der Firma c GmbH (GmbH) in Haftung genommen hat, deren Geschäftsführerin sie von 1986 bis zum 14. Juni 2006 gewesen ist. Die GmbH, die zuvor Niederlassungen in Ü und S betrieben hatte, verlegte ihren Sitz ab Juni 2004 nach B, dem Wohnsitz der Klägerin.
Da für die Jahre 2002 und 2003 sowie den Voranmeldungszeitraum Januar bis Juni 2004 keine Voranmeldungen und Steuererklärungen abgegeben worden waren, setzte das FA im Schätzungswege die Umsatzsteuer 2002 mit Bescheid vom 27. August 2004 auf 19.780 EUR zuzüglich Zinsen fest. Mit Bescheid vom 25. Januar 2003 wurde die Körperschaftsteuer 2003 auf 1.667 EUR, Solidaritätszuschlag von 91,68 EUR und Verspätungszuschlag von 100 EUR festgesetzt. Die Umsatzsteuer 2003 wurde mit Bescheid vom 25. Januar 2005 entsprechend den Erkenntnissen einer durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung auf 12.732,19 EUR festgesetzt.
Am 15. September 2004 beantragte die Klägerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH (Bl. 42 Haftungsakte FA). In einem darauf hin erstellten Insolvenzgutachten wurde unter anderem festgestellt, dass die GmbH mit Vertrag vom 1. Juni 2004 die Geschäftsausstattung der Ladenräume in Ü, den Finanzierungsvertrag über ein Kfz sowie den vorhandenen Warenbestand zum Preis von 58.802,33 EUR an Herrn W verkauft hat. Von dem Kaufpreis wurden Bankschulden getilgt (vgl. Bl. 43 ff Haftungsakte FA). Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 19. Juli 2005 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, am 14. Juni 2006 wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht.
Mit Bescheid vom 22. November 2005 nahm das FA die Klägerin nach vorheriger Anhörung und Ankündigung für rückständige Körperschaftsteuer 2003, 2004, 2005, Umsatzsteuer 2002, Umsatzsteuer 2004, Säumniszuschläge, Zinsen und Verspätungszuschläge der GmbH in Höhe von 32.356,65 EUR in Haftung (Bl. 76 ff Haftungsakte FA). Es vertrat die Ansicht, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe von Voranmeldungen und Steuererklärungen sowie zur fristgerechten Zahlung der Steuern grob fahrlässig nicht nachgekommen sei und deswegen die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2002 und 2003 auf Schätzungen beruhten. Darüber hinaus habe die Klägerin andere Gläubiger vorrangig befriedigt, während an das FA ab Mitte des Jahres 2002 keine Zahlungen mehr geleistet worden seien.
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren wurden am 20. April 2006 Steuererklärungen für die Jahre 2002, 2003 und Umsatzsteuervoranmeldungen für 2004 eingereicht. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer ergab sich nunmehr eine Festsetzung von 0 EUR. Die Steuererklärung 2002, die eine berechnete Umsatzsteuer von 17.969 EUR ergab, wurde vom FA wegen Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist nicht mehr bearbeitet. Die Steuerfestsetzung für das Jahr 2003 wurde aufgrund der abgegebenen Steuererklärung geändert. Mit Bescheid vom 19. April 2006 setzte das FA die Umsatzsteuer 2003 auf 22.019,26 EUR fest. Aufgrund der nunmehr eingereichten Voranmeldungen wurden die Umsatzsteuervorauszahlungen Januar bis Juni 2004 durch Bescheide vom 14. bzw. 24. Februar sowie vom 7. März 2005 neu festgesetzt. Insgesamt ergab sich für das Jahr 2004 ...