rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff „Nichte” im ErbStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Finanzamt hat die Angaben zum Verwandschaftsverhältnis in der Erbschaftsteuererklärung genau zu überprüfen, wenn lediglich eingetragen ist, dass die Erbin eine „Nichte II” der Erblasserin ist, ansonsten ist eine spätere Änderung der Steuerklasse zuungunsten der Erbin ausgeschlossen, wenn das Finanzamt erfährt, dass die Erbin nur mit der Erblasserin verschwägert und nicht blutsverwandt ist.

 

Normenkette

ErbStG § 15 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 4, § 19; BGB § 1925; AO §§ 89, 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

1. Unter Änderung der Steuerfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.6.2005 wird die Erbschaftsteuer auf 214.252,49 EUR herabgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids nach § 173 Abs.1 Nr.1 Abgabenordnung – AO– wegen falscher Steuerklasseneinstufung möglich ist.

I.

Die am 28.4.1997 in München verstorben Erblasserin Frau Dr. wurde aufgrund des notariellen Testaments vom 12.6.1997 von der Klägerin, der Nichte ihres vorvertorbenen Ehemanns, allein beerbt. In der Erbschaftsteuer-Erklärung vom 23.10.2000 (Eingangsdatum) hatte die Klägerin als Verwandtschaftsverhältnis „Nichte II°” angegeben. Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 23.10.2001 setzte der Beklagte, das Finanzamt die Erbschaftsteuer wegen der Anrechnung ausländisch höherer gezahlter schweizerischer Erbschaftsteuer auf Null fest, wobei es fälschlicherweise von der Steuerklasse II ausging.

Der Bescheid erging vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Zusammensetzung und des Werts des Nachlasses, hinsichtlich der Höhe der Pflichtteile und der anrechenbaren Schweizer Erbschaftsteuer, da die Werte noch nicht endgültig feststanden.

Den gegen diesen Bescheid wegen der Vorläufigkeit eingelegten Einspruch verwarf das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 9.9.2004 mangels Beschwer als unzulässig.

Mit nach § 165 Abs. 2 in Verbindung mit § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Erbschaftsteuerbescheid vom 22.11.2004 wurde Erbschaftsteuer wie folgt festgesetzt:

Erbanteil (Werterhöhung)

485.086,00 DM

./. Freibetrag, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG

10.000,00 DM

steuerpflichtiger Erwerb abgerundet

475.000,00 DM

Steuerklasse III, Steuersatz 23%

23% * 475.00 DM =

109.250,00 DM

./. ausländische Erbschaftsteuer

28.025 sFr. * 1,17624 =

32.964,00 DM

festzusetzende Erbschaftsteuer

76.286,00 DM

÷1,95583

39.004,41 EUR

Als Besteuerungsgrundlagen setzte das Finanzamt die Werte an, die der von der Klägerin eingereichten Verfügung des Kantonalen Steueramtes Zürich entnommen wurden.

Die Besteuerung erfolgte in Steuerklasse III, da dem Finanzamt im Rahmen des gegen den Erstbescheid geführten Einspruchsverfahrens bekannt geworden war, dass die Klägerin nicht die Nichte der Erblasserin, sondern die Nichte des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin war (s. Bl. 89 / Finanzamts-Akte und Schreiben des Finanzamts vom 14.11.2002, Bl. 121 / Finanzamts-Akte).

Der Bescheid erging weiterhin vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich des Verkehrswertes des Grundstücks B, da dessen Höhe noch nicht endgültig feststand und im Hinblick auf beim Bundesfinanzhof – BFH – oder Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschafts- und Schenkungsteuergesetzes in vollem Umfang (§ 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO).

Nach Bekanntwerden des Verkehrswertes des Grundstücks erhöhte das Finanzamt die Erbschaftsteuer mit nach § 165 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 20.12.2004 wie folgt:

Erbanteil (Werterhöhung durch Verkehrswert Grundstück)

1.694.102,00 DM

./. Freibetrag, § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG

10.000,00 DM

steuerpflichtiger Erwerb abgerundet

1.684.100,00 DM

Steuerklasse III, Steuersatz 35%

35% * 1.684.100 DM =

589.435,00 DM

./. ausländische Erbschaftsteuer

28.025 sFr. * 1,17624 =

32.964,00 DM

festzusetzende Erbschaftsteuer

556.471,00 DM

÷1,95583

284.519,10 EUR

Mit der Klage trägt die Klägerin vor. dass einer Änderung durch das Finanzamt nach § 173 Abs.1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehe. Das Finanzamt habe seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es angesichts der Angabe „Nichte II°” im Erklärungsvordruck und des Umstands, dass der Begriff „Nichte” häufig unpräzise verwendet werde, das Verwandtschaftsverhältnis hätte näher ermitteln müssen. Die fehlerhafte Angabe der Klägerin sei nur ein geringfügiger Verstoß aufgrund ihrer aus der Erklärung ersichtlichen Unerfahrenheit.

Die Klägerin beantragt nunmehr, unter Änderung der Änderungsbescheide vom 22.11.2004 und vom 20.12.2004 und des Erstbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.6.2005 bei der Festsetzung der Steuer statt der Steuerklasse III die Steuerklasse II anzuwende...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge