Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachgerechte Vorsteueraufteilung hinsichtlich gemischter Eingangsleistungen eines Kreditinstituts: Philipowski-Methode keine sachgerechte Schätzung i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG. Aufrundung auf volle Prozentpunkte bei Aufteilung nach Umsatzschlüssel unionsrechtlich geboten
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG ist nur insoweit möglich, als eine direkte Zuordnung von Vorsteuerbeträgen zu den zum Vorsteuerabzug berechtigenden und den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen ausgeschlossen ist. Zur Ermittlung der Höhe dieser Vorbezüge kann der Unternehmer dann gem. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Unternehmers zu entscheiden, welche Schätzungsmethode er wählt. Hat der Unternehmer ein bestimmtes sachgerechtes Ermittlungsverfahren gewählt, ist es der Besteuerung auch dann zugrunde zu legen, wenn ggf. noch andere „sachgerechte” Ermittlungsmethoden in Betracht kommen.
2. Als „sachgerecht” i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG gilt nach der Rspr. des BFH bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift ein den Vorgaben des Art. 173 MwStSystRL entsprechendes Aufteilungsverfahren, das – objektiv nachprüfbar – nach einheitlicher Methode die beiden „Nutzungsteile” eines gemischt verwendeten Gegenstandes oder einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet. Entscheidend für die Anerkennung der Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuer-Teilbeträge im Wege einer „sachgerechten Schätzung” ist deshalb, dass das angewandte Ermittlungsverfahren des Unternehmers nicht zu einer willkürlichen Bestimmung insbesondere der abziehbaren Teilbeträge führt.
3. Die von einem Kreditinstitut zur Schätzung der abzugsfähigen Vorsteuern bei den nicht direkt zuzuordnenden, gemischt genutzten Eingangsleistungen angewendete Philipowski-Methode stellt keine sachgerechte Schätzung i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG dar, weil es an der von der Rspr. geforderten objektiv nachprüfbaren einheitlichen Methode fehlt.
4. Bei der Philipowski-Methode handelt es sich methodisch um einen Umsatzschlüssel, der die Erträge einer Bank aus dem optierten Kundengeschäft den Erträgen aus dem nicht optierten Kundengeschäft gegenüberstellt, bei dem aber bestimmte Umsätze – die Zinsen aus den Eigenanlagen – außer Ansatz bleiben und der dann mit einer anderen Methode – einer Personalbedarfsberechnung für bestimmte Aufgabenbereiche in der Bank – kombiniert wird, wobei allerdings ein Großteil der Mitarbeiter der Bank unberücksichtigt bleibt.
5. Es fehlt an der von der Rspr. geforderten objektiv nachprüfbaren einheitlichen Methode einer Schätzung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG, wenn verschiedene Methoden so miteinander vermischt werden, dass ein Umsatzschlüssel in Kombination mit einem Personalschlüssel zur Anwendung kommt.
6. Hat das FA nach Verwerfung der Philipkowski-Methode eine Vorsteueraufteilung mangels einer anderen sachgerechten Aufteilungsmethode auf Basis eines Umsatzschlüssels vorgenommen, ist der so ermittelte Aufteilungsschlüssel nach Unionsrecht (Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL) zugunsten der Bank auf volle Prozentpunkte aufzurunden.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 4 Sätze 1-3, Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1; MwStSystRL Art. 168 Buchst. a, Art. 173 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. c, Art. 174, 175 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 2008 und 2009, jeweils vom 18. Februar 2016, wird die Umsatzsteuer für 2008 um EUR auf EUR und für 2009 um EUR auf
EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den bis zum Ergehen der Änderungsbescheide vom 18. Februar 2016 entstandenen Kosten trägt die Klägerin Prozent und der Beklagte Prozent; von den weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin Prozent und der Beklagte Prozent.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Höhe der abziehbaren Vorsteuern.
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, deren Geschäftsgegenstand insbesondere die Durchführung von banküblichen und ergänzenden Geschäften ist. … Die Tätigkeit der Klägerin wird entsprechend dem Ausweis auf der Aktiv- und Passivseite der Bilanz in Aktiv- und Passivgeschäft eingeteilt. Das Passivgeschäft der Klägerin ist dabei der Bereich, der sich mit der Annahme von Kundengeldern beschäftigt. Mit diesem neuen Kapital kommt die Klägerin dem Kreditgeschäft als Aktivgeschäft nach.
Im Juni 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten (dem Finanzamt; im Folgenden: FA) mit, dass sie beabsichtige, ab dem 1. Januar 2008 umsatzsteuerliche Bankleistungen nach § 9 de...