Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer bei neuer gewerbelicher Tätigkeit des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Die Umsatzsteuer aus der Erwerbstätigkeit von Personen, die durch ihre Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringen, zählt nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu den Masseschulden.
Normenkette
InsO § 55 Nr. 1, §§ 35-36, 80; ZPO § 811 Abs. 1 Nr. 5
Tenor
1. Unter Aufhebung des Umsatzsteuerbescheid vom 15. April 2004 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23. Juni 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2006 wird die Umsatzsteuer 2003 auf einen Negativbetrag von 2.798,89 EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners entstandene Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Der Kläger ist als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Z (nachfolgend Schuldner) tätig.
Der Schuldner hatte am 1. Oktober 1994 ein Gewerbe als Buch- und Offsetdruckerei, den Einzelhandel mit Schreibwaren, Bürobedarf und Drucksachen aller Art in Mühldorf angemeldet. Am 21. November 2002 veräußerte er das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen an die Firma Y. Nachdem er am 30. November 2002 seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hatte, beantragte er am 2. Dezember 2002 beim zuständigen Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 17. Februar 2003 meldete er mit Rückwirkung zum 30. November 2002 sein Gewerbe ab. Tags darauf meldete er ein neues Gewerbe als Buch- und Offsetdruckerei, den Einzelhandel mit Schreibwaren, Bürobedarf und Drucksachen aller Art an, beschäftigte mehrere Angestellte und führte für einen Auftraggeber, die Firma Y, Druckaufträge aus.
Nachdem am 11. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, wurde der am 18. Februar 2003 eröffnete Betrieb mit Zustimmung der Gläubigerversammlung am 21. Mai 2003 mit Erklärung des Klägers gegenüber dem Schuldner für die unmittelbar benötigten Betriebsmittel für die selbständige Erwerbstätigkeit freigegeben. Mit Wirkung vom 23. Juli 2003 bestätigte der Schuldner, dass er monatlich 130 EUR an den Kläger abführen werde. Am 24. Juni 2004 meldete der Schuldner sein (neues) Gewerbe mit Rückwirkung zum 16. Februar 2004 ab.
Mit Schreiben vom 7. August 2003 teilte der Kläger dem Finanzamt (FA) mit, dass der Schuldner das neue Unternehmen mit seiner Einwilligung gegründet habe. Der Schuldner habe sich verpflichtet, die der Tätigkeit eines Angestellten entsprechenden Beträge an die Insolvenzmasse abzuführen. Daraufhin habe der Kläger die Freigabe des schuldnerischen Geschäftsbetriebs aus dem Beschlag der Masse erklärt, eine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den schuldnerischen Geschäftsbetrieb stünde ihm daher nicht mehr zu.
Für die ab 18. Februar 2003 getätigten Umsätze setzte das FA die Umsatzsteuer für das Streitjahr mit Bescheid vom 15. April 2004 in Höhe von 31.277,71 EUR fest. Nach Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuererklärung am 6. Juni 2005 übernahm das FA die erklärten Umsätze, rechnete jedoch die steuerpflichtigen Umsätze und Vorsteuern aus dem Betrieb des Schuldners hinzu und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 23. Juni 2005 auf 30.036,27 EUR herab. Es vertrat die Auffassung, dass die rückständigen Umsatzsteuern für den Zeitraum Februar bis Oktober 2003 aus der Masse zu bedienen seien, da das gesamte Vermögen des Schuldners zur Insolvenzmasse gehöre.
Das gegen die Bescheide vom 15. April 2004 und vom 23. Juni 2005 gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 31. Oktober 2006 setzte das FA unter Änderung des Bescheides vom 23. Juni 2005 die Umsatzsteuer 2003 auf 37.484,91 EUR fest. wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 15. April 2004 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 23. Juni 2005 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FA die Umsätze aus der Insolvenzmasse sowie aus dem neu gegründeten Unternehmen des Schuldners zu Unrecht zusammenfasse. Die aus dem neuen Unternehmen resultierenden Steuern müssten vom Schuldner selbst getragen werden.
Darüber hinaus liege keine Fortführung des ursprünglichen Betriebs des Schuldners vor. Bei der neu aufgenommenen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners handle es sich um eine Neugründung, da der Schuldner bereits am 21. November 2002 sein gesamtes Anlage- und Umlaufvermögen an die Firma Y veräußert und keine Mitarbeiter mehr gehabt hätte. Als selbständiger Lohndrucker hätte er in seinem neuen Betrieb keine Vermögensgegenstände eingesetzt, die zur Insolv...