Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfteerzielungsabsicht bei der Anschaffung einer Inhaberschuldverschreibung durch die Ausübung einer Option
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden als Finanzinnovationen anzusehende Inhaberschuldverschreibungen als Folge der Ausübung einer vom Wertverlust betroffenen Option zur Vermeidung eines nach § 23 Abs. 3 S. 8 und 9 EStG nur eingeschränkt zu berücksichtigenden Veräußerungsverlustes angeschafft, um den Wertverlust der Option über eine Einbeziehung der Anschaffungskosten der Option in die Anschaffungskosten der Inhaberschuldverschreibungen in einen Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen umzuwandeln, scheitert die Abzugsfähigkeit des Verlustes nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4c EStG an der fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht (Anschluss FG Schleswig-Holstein v. 1.7.2011, 2 K 190/09).
2. Für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht ist ausschließlich auf den Emissionszeitpunkt der Inhaberschuldverschreibungen abzustellen.
3. Der Verlust aus der Veräußerung der Inhaberschuldverschreibungen kann gem. § 23 Abs. 2 EStG wegen fehlender Berücksichtungsmöglichkeit bei den übrigen Einkunftsarten in Folge mangelnder Einkünfteerzielungsabsicht als Veräußerungsverlust gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzugsfähig sein.
Normenkette
EStG 2002 § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4c, Abs. 1 Nr. 7, § 23 Abs. 2, 3 Sätze 8-9, Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 5, 7; AO § 42
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2006 vom … wird der verbleiende Verlustvortrag nach § 10 d Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Ehemanns um … EUR erhöht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu % und der Beklagte zu %.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleitung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Ehegatten und werden beim Beklagten …zur Einkommensteuer veranlagt. Das FA wich im Bescheid über Einkommensteuer vom und späteren Änderungsbescheiden, zuletzt vom …, von der Einkommensteuererklärung für 2006 ab und erkannte einen von den Klägern geltend gemachten Verlust nicht an, der durch die Ausübung von Optionen (Calls) auf den Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen (ISV) und die Veräußerung der ISV entstanden war.
Am 20. Dezember 2005 beauftragte der Kläger im Rahmen eines einheitlichen schriftlichen Auftrags die Bank AG, für ihn über den freien Kapitalmarkt Calls „für DAX Seitwärtsstrategie” zu kaufen, und zwar Calls der Bank Luxembourg S.A. (WKN AOHXHW; nachfolgend als Calls I bezeichnet) sowie [gleiche Anzahl] Calls der Sonata Securities S.A. (WKN AOHXHV; nachfolgend als Calls II bezeichnet), mit dem Vermerk: „Die Summe der Kaufpreise für ein Paar Optionsscheine darf EUR 452.500 nicht überschreiten.” Bedingung für den Auftrag war, dass die Bank AG dem Kläger ein Darlehen i.H.v. des Kaufpreises gewährt. Am 21. Dezember 2005 wurde ein entsprechender Darlehensvertrag geschlossen (Darlehensbetrag … EUR; Zinssatz 3,31 % p.a., fest bis zum 27. Dezember 2006). Ebenfalls am 21. Dezember 2005 (Schlusstag) führte die Bank AG den Auftrag aus (Valuta 23. Dezember 2005). Der Kläger erwarb Calls I (Laufzeit bis zum 27. Dezember 2006) zu einem Kaufpreis i.H.v. insgesamt … EUR sowie Calls II (Laufzeit bis zum 27. Dezember 2006) zu einem Kaufpreis i.H.v. insgesamt … EUR. Jeder Call I der Bank Luxembourg S.A. beinhaltete eine Kaufoption auf eine ISV der Bank AG mit der Wertpapierkennnummer DB2D99 (nachfolgend ISV I). Jeder Call II der Emittentin Sonata Securities S.A. beinhaltete eine Kaufoption auf eine ISV der Bank AG mit der Wertpapierkennnummer DB2EAA (nachfolgend ISV II). Wegen der rechtlichen Ausgestaltung der Calls und ISV wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das den Beteiligten bekannte Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 1. Juli 2011 2 K 190/09 (juris) Bezug genommen. Am 27. Februar 2006 durchbrach der DAX die obere Barriere von 111 % mit der Folge, dass der Wert der Calls I stieg und der Wert der gegenläufig angelegten Calls II fiel. Der Kläger übte die Calls II aus und erwarb die ISV II (Schlusstag 15. Mai 2006) zu dem in den Emissionsbedingungen festgelegten Basispreis (insgesamt … EUR). Am 25. Juli 2006 (Schlusstag) veräußerte der Kläger die ISV II zu einem Gesamtpreis i.H.v. … EUR. Optionsausübung und Veräußerung führten nach den Berechnungen des Klägers zu einem Verlust i.H.v. … EUR (Kaufpreis für die Calls II i.H.v … EUR, zuzüglich Basispreis für den Erwerb der ISV II i.H.v. … EUR, abzüglich des Veräußerungserlöses i.H.v. … EUR), den die Kläger im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2006 ohne Erfolg gelte...