Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldner der Branntweinsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Wird Alkohol aus einem Mitgliedstaat im Steueraussetzungsverfahren zu einer deutschen Ausgangszollstelle befördert und dort unter Vorlage falscher Papiere in ein Drittland ausgeführt, ist die deutsche Zollverwaltung für die Erhebung der dadurch entstandenen Branntweinsteuer zuständig.
Der Spediteur, den der Versender mit der Ausfuhr beauftragt, ist insoweit dessen Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 169 Abs. 2 S. 3 AO. Wenn dieser eine Steuerhinterziehung begeht, hat der Versender deshalb keine Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 S. 3 AO.
Normenkette
BranntwMonG § 130 Abs. 1, § 141 Abs. 1 S. 1, § 143 Abs. 1 S. 1, Abs. 4; BrStV § 43 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Schuldner von Branntweinsteuer in Anspruch genommen wurde.
Die Klägerin versandte im Zeitraum vom 20. März bis 16. Mai 1997 aus ihrem Steuerlager in Italien fünf Sendungen Alkohol mit den begleitenden Verwaltungsdokumenten (bVd) Nr. 537, 552, 574, 595 und 607 zur Ausfuhr unter Steueraussetzung von Italien über Deutschland nach Weißrussland. Die Versendung erfolgte jeweils über das Zollamt A, wo für die streitgegenständlichen Sendungen T1-Versandverfahren mit Bestimmungsstelle X bzw. Y eröffnet wurden. Die Sendungen wurden von dem Frachtführer und Fahrer F übernommen – in einem Fall (bVd Nr. 574) war der bei F angestellte K der Fahrer – und nach Deutschland befördert, wo die zugehörigen Originaldokumente gegen gefälschte Begleitpapiere ausgetauscht wurden, die als Ware z. B. Rohre und Schläuche aus Kautschuk auswiesen. Mit diesen wurden die Alkoholsendungen über das Zollamt Z nach Tschechien ausgeführt. Die Ausfuhr der fünf Alkoholsendungen wurde durch gefälschte Zollstempel und Abfertigungsvermerke auf den bVd vorgetäuscht.
F wurde deswegen durch rechtskräftiges Urteil des LG N vom 18. November 2002 wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA –) forderte deshalb mit Steuerbescheid vom 9. Dezember 2002 von der Klägerin als Versender des Alkohols als Gesamtschuldner neben F insgesamt 1.639.651,71 EUR Branntweinsteuer an, weil der Alkohol durch den Austausch der Papiere dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden sei.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das HZA durch Einspruchsentscheidung vom 29. September 2003 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist sei Verjährung eingetreten. Das kriminelle Verhalten Dritter könne ihr nicht zugerechnet werden. F sei weder ihr Erfüllungsgehilfe noch in ihrem Auftrag tätig gewesen, da als Lieferbedingung „frei ab Werk” vereinbart gewesen sei und sie somit ihre Lieferverpflichtung mit der Aushändigung der Ware auf ihrem Gelände erfüllt habe. Für die Erhebung einer eventuell entstandenen Branntweinsteuer sei nicht die deutsche, sondern allenfalls die italienische Zollverwaltung zuständig, da die Entziehungshandlung bereits bei der Eröffnung der Versandverfahren in Italien stattgefunden habe. Außerdem werde der Wahrheitsgehalt der Aussage des F bestritten. Die deutschen Zollbehörden seien nach Ablauf einer Frist von drei Jahren seit Ausfertigung der streitgegenständlichen bVd nicht mehr zu der Steuererhebung ermächtigt gewesen. Schließlich sei sie jedenfalls deshalb von der Steuer befreit, weil es sich bei den durch kriminelle Handlungen Dritter dem Steueraussetzungsverfahren entzogenen Alkohol um Verluste handle, die infolge höherer Gewalt entstanden seien.
Die Klägerin beantragt,
den Steuerbescheid vom 9. Dezember 2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das HZA beantragt,
Klageabweisung.
Es bringt unter Hinweis auf den Beschluss des Gerichts vom 17. Februar 2004 – 3 V 4067/03 vor, dass sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer steuerlichen Plichten der Person des F bedient habe und sie deshalb die verlängerte Festetzungsfrist gegen sich gelten lasse müsse. Die zivilrechtlichen Vereinbarung der Klägerin mit dem Käufer des Alkohols könnten keine Auswirkungen auf ihre steuerrechtlichen Pflichten haben. Die deutsche Zollverwaltung sei für die Erhebung der Branntweinsteuer zuständig gewesen, da die streitgegenständlichen Alkoholsendungen zweifelsfrei im Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden seien. Ebenso wenig seien kriminelle Handlungen als ein Fall höherer Gewalt zu bewerten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung hingewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das HZA hat die Klägerin zu Recht als Schuldner der entstandenen Branntweinsteuer in Anspruch genommen.
1. Die Branntweinsteuer für den mit den streitgegenständlichen Transporten au...