Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelpunkt der Lebensinteressen eines ledigen Arbeitnehmers und Zahl der Heimfahrten
Leitsatz (redaktionell)
Fährt ein lediger Soldat auf Zeit und Studierender der Bundeswehrhochschule in Neubiberg so oft es ihm die Erfordernisse der Ausbildung und des soldatischen Dienstes erlauben im Jahr 2003 an seinen Heimatort in Norddeutschland (Entfernung 840 km) und hält er sich dort einschließlich seiner Urlaubstage an insgesamt 91 Tagen bzw. an ca. 65 % seiner freien 140 Tage im Jahr auf, reichen entgegen Abschnitt R 42 Abs. 1 Satz 8 LStR 14 Heimfahrten im Jahr aus, um am Heimatort den Mittelpunkt der Lebensinteressen anzunehmen und die Voraussetzungen einer zeitlich beschränkten (unechten) doppelten Haushaltsführung zu bejahen. Bei der Frage des nachhaltigen Verweilens am Hauptwohnort ist nicht nur auf die Zahl der Aufenthalte, sondern auch auf deren jeweilige Dauer abzustellen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5; LStR 2004 R 42 Abs. 1 S. 8; LStR 2004 R 43 Abs. 3 S. 5
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2004 wird geändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuerberechnung nach Maßgabe der Urteilsgründe durchzuführen, dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sind.
Die Heimatstadt des Klägers (Kl) ist A. Ab 1. September 2001 begann er eine Offizierausbildung bei der Bundeswehr. In den ersten 6 Monaten der Ausbildung in B waren die Unterkunft und die Heimfahrten nach A kostenlos. Ab 1. März 2002 wurde der Kl zum Zeitsoldaten ernannt und ab 23. September 2002 an die Bundeswehrhochschule nach Neubiberg versetzt. Dort begann er mit einem Studium der Informatik. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 machte er für die Zeit ab 1. März 2002 Aufwendungen für 20 Fahrten mit dem PKW und der Bahn im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geltend. Nach Beendigung des Studiums verzog der Kl wieder nach A.
In Neubiberg wurde dem Kl von der Bundeswehr ein Appartement (Appartement Nr. …, …) zur Verfügung gestellt, für das er monatlich 91,35 EUR (ab April 2003) Miete bezahlte. Nach den Angaben des Kl war dieses 15 qm groß und verfügte über eine Nasszelle mit einem Waschbecken und einem WC. Das Haus, zu dem 36 Appartements gehören, sei als Gemeinschaftsunterkunft konzipiert, vor allem um die Kameradschaft und das gemeinsame Studieren zu fördern. Im Gemeinschaftsbereich verfüge es über 2 Duschräume mit jeweils 4 Duschen. Zudem sei die Universität im Herbst 2002 als Reaktion auf die weltweit veränderte Sicherheitslage eingezäunt und zum militärischen Bereich mit entsprechenden Zugangsbeschränkungen erklärt worden.
In der Einkommensteuererklärung 2003 wurden Aufwendungen für insgesamt 14 Heimfahrten (davon 9 mit dem Flugzeug für 1080 EUR und 5 mit dem PKW zu jeweils 2 × 840 km für insgesamt 1.680 EUR) sowie weitere Fahrtkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung für insgesamt 3.113 EUR geltend gemacht. Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19. April 2004 ließ der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung mit der Begründung nicht zum Abzug zu, dass die weiter entfernt liegende Wohnung nicht nachhaltig aufgesucht worden sei.
Mit Schreiben vom 10. August 2004 teilte der steuerliche Vertreter mit, dass der Kl wegen seiner Dienstzeiten, der großen Entfernung und nicht zuletzt aus Kostengründen nicht jedes Wochenende habe nach Hause fahren können. Gegenüber dem vorangegangenen Jahr habe er die Anzahl der Heimfahrten zugunsten zeitlich längerer Heimataufenthalte reduziert. Im Streitjahr (2003) habe er sich an 85 Tagen in A aufgehalten. Auf mehr Familientage komme in der Regel auch ein Familienvater nicht, der nicht jedes Wochenende nach Hause fahren könne und bei dem die doppelte Haushaltsführung ansonsten unbestritten bleibe. Im Übrigen sehe weder das Gesetz noch die veröffentlichte Verwaltungsauffassung eine Mindestzahl von Heimfahrten vor. Im Gegenteil gehe Abschnitt R 43 Abs. 3 Satz 5 der Lohnsteuerrichtlinien davon aus, dass bei größerer Entfernung, insbesondere bei einer Wohnung im Ausland, bereits eine Heimfahrt im Jahr ausreiche.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung -EE- vom 27. August 2004).
Mit der Klage wird vorgetragen, dass der Kl die Zahl der Wochenendheimfahrten im Streitjahr wegen der mit der Entfernung verbundenen Reisezeit, der Reisekosten, Wochenenddienstzeiten und gestiegenen Studienanforderungen einschließlich einhergehender Workshops, Tutorien und Arbeitsgruppen habe reduzieren müssen. Dafür habe er sich im Rahmen der Wochenendheimfahrten jeweils länger in A aufgehalten. Nach Abschnitt R 42 Abs. 1 Satz 8 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR), der nach dem Schreiben des Bundesministeriums...