Entscheidungsstichwort (Thema)
des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung lt. Schriftsatz vom 6.2.1998 (Lohnsteuer-Nachforderung 1993 bis 1996)
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Zu entscheiden ist, ob ein gemäß § 69 Abs. 2 u. Abs. 3 FGO bei Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) zulässig ist, obwohl der Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) bereits AdV ohne Sicherheitsleistung gewährt hat, den Verwaltungsakt über die AdV aber mit dem Vorbehalt des Widerrufs versehen hat.
Die Antragstellerin betreibt einen Verlag und erstellt Zeitschriften für den Veranstaltungsbereich. Die Verbreitung erfolgt durch verschiedene Personen.
Bei einer in 1996 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung für die Zeit vom 1.1.1993–31.5.1996 kam der Prüfer abweichend von der Auffassung der Antragstellerin, die die Zeitschriftenverteiler als freie Mitarbeiter ansah, zum Ergebnis, daß die an die Zeitschriftenverteiler geleisteten Zahlungen nach § 40 a EStG pauschal zu versteuern seien, da es sich bei diesem Personenkreis um Arbeitnehmer im Sinne des § 40 a EStG handele (Prüfungsbericht vom 5.8.1996).
Das Finanzamt erließ dementsprechend einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für den Zeitraum vom 1.1.1993–31.5.1996 über einen Gesamtbetrag in Höhe von 10.324,20 DM.
Nach erfolglosem Vorverfahren (Einspruchsentscheidung vom 15.12.1997) hat die Antragstellerin Klage erhoben. Über diese unter dem Az: 8 K 158/98 L anhängige Klage hat der Senat noch nicht entschieden. Auf den Antrag der Antragstellerin beim Finanzamt, für die Dauer des Klageverfahrens die Vollziehung auszusetzen, gewährte das Finanzamt zwar mit Verwaltungsakt vom 27.1.1998 die AdV, behielt sich aber vor, die AdV nach pflichtgemäßem Ermessen zu widerrufen
Die Antragstellerin stellt nunmehr den vorliegenden AdV-Antrag bei Gericht. Sie hält ihn für zulässig. Sie meint, auf den unbeschränkten Antrag auf AdV habe das Finanzamt lediglich die AdV unter Widerrufsvorbehalt gewährt. Dementsprechend habe das Finanzamt dem Aussetzungsantrag nicht in vollem Umfang entsprochen. Der vorliegende Aussetzungsantrag richte sich insoweit gegen die teilweise Ablehnung des Aussetzungsantrages.
Der Antrag sei im übrigen auch begründet.
Bei den Verteilern handele es sich nicht um Arbeitnehmer. Der Lohnsteuernachforderungsbescheid sei somit rechtswidrig.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Lohnsteuernachforderungsbescheids vom 17.9.1996 für die Dauer des Klageverfahrens ohne den Vorbehalt des Widerrufs auszusetzen.
Das Finanzamt, das keinen Antrag gestellt hat, hat mitgeteilt, daß es nicht beabsichtige den Widerrufsvorbehalt in dem Bescheid vom 27.1.1998 über die gewährte AdV aufzuheben. Im Gegensatz zu dem von dem Finanzgericht Bremen entschiedenen Fall im Beschluß vom 21.10.1997, EFG 1998, 127 habe das Finanzamt im vorliegenden Fall eine AdV ohne Sicherheitsleistungen gewährt. Dies sei erfolgt, weil die derzeitige wirtschaftliche Lage der Antragstellerin die Steuerforderung nicht gefährdet erscheinen lasse. Sollten sich im Laufe des Verfahrens die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Antragstellerin jedoch ändern (z. B. erhebliche Verschlechterung der Vermögenslage) und dadurch die Steuerforderung gefährdet erscheinen, sei dem Finanzamt nur durch den Widerrufsvorbehalt die Möglichkeit gegeben, die AdV ohne Sicherheitsleistungen noch in einer AdV mit Sicherheitsleistungen umzuwandeln.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ist nicht zulässig, weil die in § 69 Abs. 4 FGO geregelten Zugangsvoraussetzungen nicht vorliegen.
Nach § 69 Abs. 4 FGO ist eine Antragstellung bei Gericht nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf AdV ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Die Hinzufügung eines Widerrufsvorbehalts in einem die beantragte AdV in vollem Umfang ohne die Anordnung einer Sicherheitsleistung gewährenden Verwaltungsakt stellt nicht eine „teilweise Ablehnung” im Sinne des § 69 Abs. 4 FGO dar.
Zwar hat das Finanzamt dem Antrag der Antragstellerin nicht in vollem Umfang entsprochen. Die Antragstellerin hat nämlich eine unbeschränkte AdV beantragt Diese erfolgt nach dem Gesetz grundsätzlich ohne Vorbehalt des Widerrufs. Bei dem Vorbehalt des Widerrufs handelt es sich um eine Nebenbestimmung im Sinne des § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO. Der Widerrufsvorbehalt beschwert den Betroffenen, weil er Rechtsunsicherheit schafft (Tipke/Kruse, AO-Kommentar, Stand: Juni 1995, § 120 Rdn. 6).
Der Senat ist aber unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 69 Abs. 4 FGO, die Gerichte von Verfahren wegen AdV zu entlasten und unter Berücksichtigung des Interesses der Steuerpflichtigen an effektivem Rechtsschutz (Rechtsschutzinteresse) der Auffassung, daß allein die Hinzufügung eines Widerrufsvorbehalts es nicht rechtfertigt, von einer „teilweisen Ablehnung” im Sinne des § 69 Abs. 4 FGO auszugehen.
Eine teilweise Ablehnung der AdV im Sinne des § 69 Abs....