Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren im VZ 1996?
Leitsatz (redaktionell)
Vorlage an das BVerfG: Ist § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 22 Nr. 3 S. 1 EStG jeweils in der für den VZ 1996 maßgeblichen Fassung des EStG vom 7.9.1990 insoweit mit Art. 3 GG unvereinbar und nichtig, als im VZ 1996 die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird?
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b; GG Art. 3; EStG § 22 Nr. 3 S. 1
Tatbestand
A. Gegenstand der Vorlage
Zu entscheiden ist, ob eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen ist, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG in der jeweils für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung des Einkommensteuergesetzes vom 7.09.1990 (BGBl. I 1990, 1898) insoweit mit Artikel 3 GG unvereinbar und nichtig ist, als im Veranlagungszeitraum 1996 die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kl. erzielte im Streitjahr 1996 als Parfümeur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem war er in großem Umfang am Kapitalmarkt tätig. Neben Zinsen aus Sparguthaben und festverzinslichen Wertpapieren erzielte er auch Dividenden aus Aktien im In- und Ausland. Außerdem tätigte er Spekulations-, Options- und Finanztermingeschäfte an verschiedenen Terminbörsen.
Für die Jahre 1994 bis 1996 fand bei dem Kl. eine Außenprüfung (Ap) statt.
Der Prüfer stellte fest, dass der Kl. im Streitjahr 1996 Wertpapiere ge- und verkauft hat. Soweit bei den 37 Verkaufsgeschäften der Verkauf innerhalb von sechs Monaten stattfand, erzielte der Kl. hieraus einen Veräußerungsverlust i. H. v. insgesamt 8.304,46 DM.
Der Kl. führte unter Einschaltung einer Bank im Streitjahr 1996 außerdem Optionsgeschäfte u. a. an der Deutschen Terminbörse (DTB) durch. Er erwarb Rechte, innerhalb einer bestimmten Frist Wertpapiere zu einem festgelegten Basiswert zu kaufen (call) oder zu verkaufen (put). Dies sind sogenannte long-Positionen. Hierfür zahlte er Optionsprämien.
Weiterhin schloss der Kl. hinsichtlich der long-Positionen 44 sogenannte Glattstellungsgeschäfte (Gegengeschäfte zu den Eröffnungsgeschäften) ab, für die er seinerseits Optionsprämien erhielt. Soweit diese Geschäfte innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten erfolgten, erzielte der Kl. unter Berücksichtigung von Courtage und Provision hieraus einen Gewinn i. H. v. insgesamt 26.275,90 DM. Zum Teil entfiel dieser Gewinn auf long-Positionen, die sich nicht auf Wertpapiere sondern auf den Deutschen Aktien-Index (DAX) bezogen.
Außerdem verpflichtete sich der Kl. als Verkäufer von Kaufoptionen (call) und Verkaufsoptionen (put) und somit als sogenannter Stillhalter (short-Positionen). Hierfür erhielt er Optionsprämien. In acht Fällen bezogen sich diese Verkaufsgeschäfte auf Aktien und in 38 Fällen auf den DAX.
Auch hinsichtlich der short-Positionen schloss der Kl. Glattstellungsgeschäfte ab, für die er seinerseits Optionsprämien zu zahlen hatte.
Für die Glattstellungsgeschäfte bei den vom Kl. eingeräumten Optionsrechten (short-Positionen) erzielte er im Streitjahr 1996 unter Berücksichtigung von Courtage und Provision einen Überschuss i. H. v. insgesamt 43.602,32 DM. Ein Teil dieses Überschusses entfiel auf short-Positionen, die sich nicht auf Wertpapiere sondern auf den DAX bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ap-Bericht vom 8.11.1999 (insbesondere auf Tz. 15 i. V. m. der Anlage 3) und auf den vom Beklagten (Finanzamt – FA –) vorgelegten Ordner, in dem die o. a. Geschäfte dokumentiert sind, sowie auf den Schriftsatz des FA vom 19.10.2004 nebst Anlagen verwiesen.
Außerdem tätigte der Kl. im Streitjahr 1996 an der DTB Geschäfte (Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäfte) mit Terminkontrakten (sogenannten Future), wobei sich diese zum Einen auf Bundesanleihen zum Anderen auf den DAX bezogen.
Der Prüfer ging hinsichtlich der o. a. Tätigkeit des Kl. von einer privaten Vermögensverwaltung und nicht von der Erzielung gewerblicher Einkünften aus und nahm deshalb die Besteuerung entsprechend dem BMF-Schreiben vom 10.11.1994 BStBl. I 1994, 816 über die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Options- und Finanztermingeschäften an der Deutschen Terminbörse (DTB) und von anderen als Optionsscheine bezeichneten Finanzinstrumente im Bereich der privaten Vermögensverwaltung vor. Dementsprechend sah er die Geschäfte des Kl. mit dem Bund-Future und dem DAX-Future nicht als steuerpflichtig an, wohl aber die übrigen vom Kl. getätigten o. a. Geschäfte.
Der Prüfer meinte, dass der vom Kl. mit den Optionsrechten (long-Positionen) erzielte Gewinn i. H. v. 26.275,90 DM unter Ab...