rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Spontanauskünfte des deutschen FA an die Russische Föderation über Provisionszahlungen an einen Russen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Spontanauskünfte durch ein deutsches Finanzamt an die Russische Föderation über Provisionszahlungen für Handelsvertretertätigkeit an einen Russen sind gem. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO 1977 i.V.m. § 117 Abs. 2 AO 1977, Art. 26 DBA-Russland für die dortige Einkommensbesteuerung zulässig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Finanzverwaltung, an die eine solche Auskunft gerichtet ist, sich die Information über Einkünfte des Russen nicht selbst beschaffen kann, weil die Zahlungen auf dessen Konto bei einer deutschen Bank geleistet worden sind.

2) Das die Provisionen zahlende deutsche Unternehmen kann nicht substantiiert herleiten, dass ein angedrohter Abbruch weiterer Vermittlungstätigkeit durch den Russen im Falle der Spontanauskunft zu einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung führt.

3) Es ist nicht anzunehmen, dass sich aus der schlichten Mitteilung von Einkünften des russischen Handelsvertreters nachteilige Folgen für das deutsche zahlende Unternehmen wegen Verletzung des russischen Steuergeheimnisses durch die dortige Finanzbehörde ergeben.

 

Normenkette

AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 2, § 117 Abs. 2; DBA RUS Art. 26

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 13.01.2006; Aktenzeichen I B 35/05)

 

Tatbestand

I.

Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens 4 K 5498/04 S streiten die Beteiligten darüber, ob die Antragstellerin (Astin.) einen Anspruch darauf hat, dass der Antragsgegner (Ag.) eine sog. Spontanauskunft an die Russische Föderation unterlässt.

Gegenstand des Unternehmens der Astin. ist u.a. die Herstellung und der Vertrieb von Elektrogeräten. Die Astin. vertreibt diese Artikel auch auf dem russischen Markt. Zu diesem Zweck hat sie im Februar 1997 einen Vertrag mit dem in Moskau ansässigen Herrn T, der russischer Staatsangehöriger ist, geschlossen. In diesem Vertrag, auf den im übrigen Bezug genommen wird, heißt es, Herr T werde als Vertreter tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die Akquisition, das Ansprechen und das Aufsuchen von Interessenten und Kunden für die Astin., die Durchführung von Marktuntersuchungen und die regelmäßige Berichterstattung über seine Tätigkeit, über das Verhalten der Konkurrenzunternehmen, über deren Preise und über die wirtschaftliche Entwicklung im Vertragsgebiet sowie die Unterstützung von Personal der Astin. bei Aufenthalten im Vertragsgebiet. Vertragsgebiet sei die Russische Föderation. Nach Abstimmung werde Herr T auch in den übrigen Ländern der GUS tätig. Die Astin. behalte sich vor, eigene Mitarbeiter zur Absatzförderung bei den Kunden einzusetzen. Herr T werde diese Mitarbeiter betreuen und unterstützen. Er erhalte monatlich pauschal eine Vergütung von 2.000 DM. Er sei nicht berechtigt, rechtsverbindliche Erklärungen für die Astin. abzugeben. Der Vertrag könne mit einer Frist von drei Monaten durch eingeschriebenen Brief am Ende eines jeden Kalendermonats gekündigt werden. Dieser Vertrag wurde mit Wirkung zum 01.01.1998 dahin geändert, dass die monatliche pauschale Vergütung auf 3.000 DM erhöht wurde.

Nachdem das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung eine Betriebsprüfung (Bp.) bei der Astin. durchgeführt hatte, gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf die an Herrn T geleisteten Zahlungen eine „Mitteilung im steuerlichen Auskunftsaustausch über Einkünfte aus deutschen Quellen” an die Russische Föderation erfolgen solle. Im Einzelnen – so das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung – seien folgende Zahlungen festgestellt worden:

1997:

388.547,79 DM

1998:

227.297,81 DM

1999:

85.144,06 DM

2000:

125.770,66 DM

2001:

220.313,14 DM

Summe:

1.047.073,40 DM

Diese Zahlungen seien auf unterschiedliche Weise (Dresdner Bank V, Barzahlungen, Commerzbank G, N – Bank) erfolgt.

Die Astin. wandte sich gegen die beabsichtigte Spontanauskunft und machte gegenüber dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung geltend, dass ihr, wenn die geplante Spontanauskunft erteilt werde, erheblicher, existenzbedrohender wirtschaftlicher Schaden durch den Wegfall von Umsätzen entstehe. Zudem bestehe die Gefahr, dass Geschäftsgeheimnisse dadurch verletzt würden, dass Informationen unzulässigerweise über den Kreis der russischen Steuerverwaltung hinaus preisgegeben würden. Sie, die Astin., habe Herrn T über die Absicht der deutschen Steuerverwaltung informiert, die russische Steuerverwaltung über die in den Jahren 1997 bis 2001 geleisteten Provisionszahlungen in Kenntnis zu setzen. Herr T habe daraufhin unmissverständlich erklärt, dass eine Weitergabe dieser Informationen an die russische Steuerverwaltung unmittelbar zur Beendigung der Geschäftsbeziehung führen würde. Er habe dies damit begründet, dass die russische Steuerverwaltung nach Aufbau und Organisation nicht mit der der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar sei. Deshalb sei ein Bekanntwerden der entsprechenden Informationen auch außerhalb der russischen Steuerverwaltung zu erwarten....

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