Entscheidungsstichwort (Thema)
Europarechtskonformität der Hinzurechnungsbesteuerung
Leitsatz (redaktionell)
Die Hinzurechnung von einer in Hongkong ansässigen Zwischengesellschaft erzielten Einkünfte beschränkt zwar auch die auf sog. Drittstaatenfälle anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUG, ist aber gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Unionsrecht.
Normenkette
FGO § 69; AEUG Art. 63; AStG §§ 7-8, 18
Nachgehend
Tatbestand
I.
Zu entscheiden ist über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hinsichtlich eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 18 Abs. 1 bis 3 Außensteuergesetz in der Fassung des Jahres 2016 (AStG) für das Feststellungsjahr 2016 (Feststellungsbescheid).
Die Antragsteller zu 1. und 3. sowie der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2., Herr HX, waren Gesellschafter der in Hongkong ansässigen J Ltd. (J), an deren Vermögen sie jeweils zu 1/3 beteiligt waren. Herr HX, der seinen Wohnsitz in I hatte, ist am xx.xx.2021 verstorben; ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde nicht gestellt.
Ausweislich einer in englischer Sprache vorliegenden Bilanz erzielte die J im Jahr 2016 einen Überschuss i.H.v. xxx HKD bzw. xxx €.
egenstand des Unternehmens der J sind Agentur- und Handelsgeschäft diverser Art. Geschäftsführer der J waren der Antragsteller zu 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. Zu der Tätigkeit der J führte der Steuerberater der Antragsteller zu 1. und 3. und des Rechtsvorgängers der Antragsteller zu 2. mit Schreiben vom 27.08.2020 u.a. aus: der Geschäftsumfang der J sei nicht so sehr hoch, dass eine ständige Anwesenheit eines Geschäftsführers vor Ort erforderlich sei; das operative Geschäft werde von einem Angestellten als Sachbearbeiter geführt; das Agenturgeschäft umfasse im Wesentlichen die Qualitätskontrolle der J für die J GmbH (GmbH), der Umfang der Geschäftstätigkeit der J sei deutlich geringer als der der GmbH in Deutschland.
Eine Besteuerung der Einkünfte der J in Hongkong erfolgt nicht.
Die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. gaben für das Feststellungsjahr 2016 keine Steuererklärung ab.
Am 09.02.2021 erließ der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern zu 1. und 3. und dem Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. den Feststellungsbescheid 2016. Hierin wurde, ausgehend von einer niedrigen Besteuerung der J gemäß § 8 Abs. 3 AStG im Schätzungswege ein Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG i.H.v. 750.000€ festgestellt und den Feststellungsbeteiligten jeweils zu 1/3 zugerechnet.
Hiergegen legten die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. am 19.03.2021 Einspruch ein und beantragten AdV.
Am 22.03.2021 lehnte der Antragsgegner die beantragte AdV ab.
Am 18.03.2021 bzw. 19.03.2021 erließ das Finanzamt B u.a. gegenüber dem Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. bzw. den Antragstellern zu 1. und 3. geänderte Einkommensteuerbescheide 2016, mit denen der jeweils gesondert festgestellte Hinzurechnungsbetrag i.H.v. 250.000 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, berücksichtigt wurden. Nach Ablehnung der insoweit bei der Behörde beantragten AdV stellten u.a. die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. einen gerichtlichen AdV-Antrag, der durch Beschluss vom 29.10.2021, 13 V 1349/21, abgelehnt wurde.
Am 04.06.2021 haben die Antragsteller zu 1. und 3. und der Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 2. hinsichtlich des Feststellungsbescheides bei Gericht AdV beantragt.
Die Antragsteller sind im Wesentlichen der Auffassung, der Antragsgegner sei nicht zuständig für den Erlass des Feststellungsbescheides. Das Finanzamt B sei zuständig. Alle Antragsteller hätten ihren Wohnsitz in I. § 12 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter (FA-ZVO) werde durch § 18 Abs. 2 AStG verdrängt. Landesrechtliche Regelungen dürfen nicht Bundesrecht widersprechen nach Art. 31 GG. Die Hinzurechnungsbesteuerung sei europarechtswidrig; sie verstoße in nicht zu rechtfertigender Weise gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Wenn sich alle erklärungsverpflichteten Gesellschafter im Inland befänden, könne allein die Tatsache, dass die Gesellschaft im Ausland ansässig sei, keine Beschränkung rechtfertigen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es für die Hinzurechnungsbesteuerung darauf ankomme, dass die ausländische Gesellschaft passiv und niedrig besteuert sei. Wenn diese wiederum nur im Ausland begründeten Tatbestandsmerkmale vorab geprüft würden, belege dies, dass es auf das Fehlen einer großen Auskunftsklausel für die Besteuerung dem Grunde nach nicht ankommen könne. Selbst wenn durch die Hinzurechnungsbesteuerung dem Grunde nach die Kapitalverkehrsfreiheit nicht verletzt wäre, sei die konkrete Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung selbst eine nicht akzeptable Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, weil diese konkreten Regelung...