Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten; Frage der Zulässigkeit einer unterschiedlichen Besteuerung virtueller Spiele
Leitsatz (redaktionell)
1. Die steuerbaren Leistungen der Stpfl. sind weder nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG noch nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit. Der nationale Gesetzgeber hat die Richtlinienregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL seit dem 6.5.2006 – und damit auch für den hier streitigen Voranmeldungszeitraum März 2023 – mit der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG unionsrechtskonform umgesetzt.
2. Entgegen der Auffassung der Stpfl. gebietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht, dass die Umsätze der Stpfl. wie die der Anbieter virtueller Automatenspiele steuerfrei gestellt werden. Denn es fehlt an einer Gleichartigkeit der virtuellen und terrestrischen Geldspielautomaten, so dass die Angebote im Markt nicht miteinander im Wettbewerb stehen.
Normenkette
GG Art. 3; MwStSystRL Art. 135 Abs. 1 Buchst. i; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b
Tatbestand
I.
Streitig ist die Besteuerung der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen, insbesondere, ob die unterschiedliche Besteuerung von terrestrischen und virtuellen Spielen zulässig ist.
Die Antragstellerin mit Sitz in N hat die Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie betreibt Spielhallen mit Geldspielgeräten. In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat März 2023 berücksichtigte sie ihre Glücksspielumsätze als gemäß Art. 135 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerbefreit. Die Steueranmeldung stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 Abgabenordnung – AO).
Der Antragsgegner, der hingegen die Glückspielumsätze als umsatzsteuerpflichtig ansieht, setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 08.05.2023 die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum März 2023 auf xxx € (Nachzahlungsforderung xxx €) fest.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit Einspruch vom 15.05.2023 und beantragte am 03.07.2023 die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung des Aussetzungsantrags bezog sich die Antragstellerin auf ihren Vortrag im gerichtlichen Aussetzungsverfahren 5 V 2678/22 U, dass sie in eigener Sache für die Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume Juli 2021 und September 2021 bis Juli 2022 führte. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 23.06.2023 V S 9/22 ausgeführt, dass Zweck der Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG gewesen sei, dass durch die Einführung der Umsatzsteuerpflicht auf Spielbankenumsätze eine Belastung der Spielbankunternehmer eintrete. Damit sei höchstrichterlich festgestellt, dass die Umsatzsteuer hier den Unternehmer belaste und nicht auf den Endverbraucher abwälzbar sei. Die auf die Spielbankenumsätze erhobene Umsatzsteuer könne deshalb nicht als Umsatzsteuer bezeichnet werden. Auch aus den entsprechenden Ausführungen von Frau Prof. Dr. Juliane Kokott in „Das Steuerrecht der Europäischen Union” aus dem Jahr 2018, S. 271 f., werde deutlich, dass die Umsatzsteuer auf Umsätze von Spielbanken und Spielhallen nicht auf den Endverbraucher abwälzbar sei.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung am 13.07.2023 unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 26.09.2022 XI B 9/22 (AdV) ab.
Die bei Gericht gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Juli 2021 und September 2021 bis Juli 2022 (Az. 5 V 2678/22 U) und für die Monate Januar und Februar 2023 (Az. 5 V 1047/23 U) lehnte der erkennende Senat mit Beschlüssen vom 17.07.2023 ab. Die hiergegen gerichteten Anhörungsrügen blieben erfolglos. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vorträge der Beteiligten in diesen beiden Aussetzungsverfahren, die Beschlüsse vom 17.07.2023 sowie auf die Beschlüsse über die Zurückweisung der Anhörungsrüge vom 01.12.2023 Bezug genommen.
Am 14.09.2023 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat März 2023 gestellt. Sie ist der Auffassung, dass ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung vorliegen. Sie, die Antragstellerin, könne sich wegen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität unmittelbar auf die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen. Denn ihre Besteuerung verstoße gegen den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz, indem virtuelle Automatenspiele, welche seit dem 01.07.2021 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages 2021 – GlüStV 2021) erlaubt seien, gleichartig mit den von ihr erbrachten Umsätzen seien und mit diesen in Wettbewerb ständen, einseitig von der Umsatzsteuer befreit seien. Sie, die Antragstellerin, würde hierdurch benachteiligt.
Bei den virtuellen Automatenspielen handele es sich um die gleichen Spiele wie diejenigen...