Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnungsgrund bei einstweiligem Rechtsschutz gegen die Pfändung eines Kontos, auf das die sog. Corona-Soforthilfe eingezahlt wurde
Leitsatz (redaktionell)
Allein aufgrund der Zwecksetzung der Corona-Soforthilfe, die der Milderung krisenbedingter Einbußen dient, ist nicht von dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes auszugehen, der zur Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass einer einstweiligen Anordnung berechtigen würde.
Normenkette
ZPO §§ 920, 851; AO § 319; FGO § 114
Tatbestand
I.
Die verheiratete Antragstellerin betreibt unter der rubrizierten Anschrift eine Imbissgaststätte „H”. Aus dem Betrieb, in dem auch ihr Ehemann mitarbeitet, wird der Lebensunterhalt der Eheleute bestritten. Die Antragstellerin unterhält u.a. bei der E-Bank, ein Bankkonto mit der IBAN DExxxxxxxxxx (im Folgenden: E-Bank-Konto), das als Pfändungsschutzkonto geführt wird.
Nach erfolglosen Versuchen, wegen Steuerrückständen zu vollstrecken, und unter Hinweis auf die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin regte der Antragsgegner bei der Stadt N im April 2016 die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens nach § 35 der Gewerbeordnung an.
Wegen rückständiger Steuerbeträge in Höhe von rd. xxxx € (insbesondere Umsatzsteuer) erließ der Antragsgegner unter dem 18.07.2016 betreffend das E-Bank-Konto eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die die Antragstellerin nach Aktenlage nicht anfocht. Diese Verfügung schränkte der Antragsgegner im August 2016 nach einer Teilzahlung der Antragstellerin auf xxxx € ein.
Im März 2018 hatten sich die Steuerrückstände auf xxxx € erhöht und der Antragsgegner übersandte diesbezügliche Unterlagen betreffend die Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens an den Kreis N. Der Kreis leitete das Verfahren – dessen Ausgang bzw. Verfahrensstand dem Senat nicht bekannt ist – ein.
Einen Ratenzahlungsantrag der Antragstellerin lehnte der Antragsgegner bei einem Steuerrückstand von xxxx € im Juni 2018 ab.
Wegen rückständiger Steuerbeträge in Höhe von rd. xxxx € (insbesondere Umsatzsteuer) erließ der Antragsgegner in Bezug auf das E-Bank-Konto unter dem 08.08.2017 eine (weitere) Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die die Antragstellerin nach Aktenlage nicht anfocht.
Nachdem ein neuerlicher Vollstreckungsversuch des Antragsgegners im März 2019 bei der Antragstellerin fruchtlos verlaufen war, bat er beim Kreis N bei Steuerrückständen von xxxx € um Fortsetzung des Gewerbeuntersagungsverfahrens und lud die Antragstellerin zur Abgabe der Vermögensauskunft. Dem kam die Antragstellerin im Mai 2019 nach und gab im Vermögensverzeichnis u.a. an, dass sie xxx € im Rahmen eines Minijobs als Arbeitnehmerin verdiene und ein Erwerbsgeschäft mit einem monatlichen Gewinn von ca. xxxx € führe.
Auf Antrag der Antragstellerin vom 01.04.2020 bewilligte die Bezirksregierung B-Stadt der Antragstellerin mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag einen Billigkeitszuschuss aus dem Soforthilfeprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen „NRW-Soforthilfe 2020”) gem. § 53 Landeshaushaltsordnung (LHO) i. V. m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Soloselbständige” (im Folgenden: Corona-Soforthilfe) in Höhe von 9.000 €; auf den Bewilligungsbescheid wird wegen der Einzelheiten, insbesondere im Hinblick auf die Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sowie die Nebenbestimmungen, Bezug genommen. Die Antragsunterlagen der Antragstellerin liegen dem Senat nicht vor.
Aufgrund von Problemen bei der Auszahlung der Corona-Soforthilfe auf das von der Antragstellerin zunächst angegebene Konto bei der G-Bank erfolgte die Auszahlung erst am 18.05.2020, und zwar nunmehr auf das E-Bank-Konto der Antragstellerin.
Einen außergerichtlichen Antrag der Antragstellerin vom 20.05.2020, die Kontenpfändung betreffend das E-Bank-Konto einstweilen einzustellen, um die Auszahlung der Corona-Soforthilfe zu ermöglichen, lehnte der Antragsgegner am 27.05.2020 ab. Er wies darauf hin, dass die Corona-Soforthilfe u.a. voraussetze, dass nicht bereits vor dem 01.03.2020 ein Liquiditätsengpass bestanden habe (Ziffer 6.2 des Antragsformulars). Es bestehe die Möglichkeit, mit entsprechenden Nachweisen einen Antrag auf Pfändungsschutz nach Maßgabe des § 319 der Abgabenordnung (AO) und der §§ 850 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) zu stellen.
Die Antragstellerin hat unter Berufung auf den Beschluss des Finanzgerichts (FG) Münster vom 13.05.2020 1 V 1286/20 AO Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Sie macht geltend, dass sie auf eine Auszahlung der Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 € dringend angewiesen sei, weil die Imbissgaststätte ihre Lebensgrundlage darstelle und diese infolge der COVID-19-Pandemie zwangsweise behördlich geschlossen worden sei.
Die Corona-Soforthilfe solle finanzielle Nachteile aufgrund der Zwangsschließungen ausgleichen und die Begleichung unaufschiebbarer Betriebskosten sicherstellen; diese seien in erheblichem Umfang auch bei ihr angefallen. Die Antragstellerin erläutert hierzu, dass sie aufgrund des...