Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Besteuerungsgrundlagen einer Pizzeria ohne ordnungsgemäße Buchführung
Leitsatz (redaktionell)
1) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an einer Gewinnschätzung durch das Finanzamt entsprechend einem mittleren Rohgewinnaufschlagsatz von 270 % bei einer Pizzeria ohne vollständige Belege über Wareneinkäufe, Barentnahmen und die Kasse. In einem solchen Fall kann zunächst der Wareneinkauf anhand der Annahme einer bestimmten Gästezahl am Tag geschätzt und hierzu dann Umsatz und Gewinn anhand der üblichen Richtsätze ermittelt werden.
2) Kommt der Stpfl. bei der rechnerischen Ermittlung der Tageseinnahmen stets zu glatten 100 DM- oder 50 DM-Beträgen, so deutet dies auf schwerwiegende Buchführungsmängel hin.
Normenkette
AO § 145 Abs. 1 S. 2, § 147 Abs. 1 Nrn. 4-5, § 162 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Antragsteller (Ast.), der mit der Antragstellerin zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt wird, erzielte aus dem Betrieb eines Restaurants (Pizzeria) Einkünfte aus Gewerbebetrieb (GewB). Der Antragsgegner (Ag.) folgte den Umsatzsteuer(USt)-, Gewerbesteuer(GewSt)- und Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen der Ast. für die Streitjahre zunächst. Nach einer Außenprüfung vertrat er jedoch die Auffassung, daß die Buchführung des Ast. nicht ordnungsmäßig gewesen sei, schätzte Wareneinkäufe und Umsätze/Betriebseinnahmen hinzu (Prüfungsbericht vom 25.8.1999) und änderte die Bescheide entsprechend (USt-Bescheide 1994 vom 10.9.1999, 1995 bis 1997 vom 17.9.1999, GewSt-Meßbescheide vom 13.9.1999, ESt-Bescheide vom 10.9.1999). Hiergegen legten die Ast. Einsprüche ein und beantragten zugleich bei dem Ag., die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auszusetzen. Nachdem der Ag. diesen Antrag abgelehnt hatte (Ablehnungsbescheid vom 12.10.1999), stellten die Ast. am 9.11.1999 bei dem Finanzgericht (FG) Münster Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV). Während der Anhängigkeit dieses Verfahrens wies der Ag. die Einsprüche in der Hauptsache als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidungen – EE – jeweils wegen USt, GewSt-Meßbetrag und ESt vom 10.12.1999), und die Ast. erhoben Anfechtungsklage, über die noch nicht entschieden ist (FG Münster, Aktenzeichen 5 K 158/00 E, G, U). Zur Begründung ihres AdV-Antrages tragen die Ast. vor:
An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden ernstliche Zweifel. Die Hinzuschätzungen könnten mit den formellen Mängeln der Kassenführung nicht gerechtfertigt werden. Kassenbons oder ähnliches habe der Ast. schon deshalb nicht aufbewahren können, weil er die im Jahre 1995 angeschaffte Registrierkasse nach anfänglichen Versuchen wegen technischer Überforderung nicht mehr benutzt habe. Lediglich die Aufzeichnungen der Barkasse seien zu beanstanden. Daraus könne aber keine generelle Verletzung der Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten abgeleitet werden. Vielmehr habe der Ast. sämtliche Einkünfte vollständig erklärt. Der Ag. belege seine Behauptung, daß der Ast. in den Streitjahren Wareneinkäufe im Werte von jährlich zwischen 18.000 DM und 24.000 DM in seiner Buchführung nicht erfaßt habe, durch kein Beweismittel. Der Ast. habe alle Waren, die in seinem Betrieb zur Verarbeitung oder zum Verkauf gelangten, in seiner Buchführung erfaßt. Der Umstand, daß er bestimmte Warengruppen (Spirituosen, Schweppes, Kaffee, Espresso, Capuccino, Schokolade, Martini) in den Jahren 1995 und 1996 in einigen Zeiträumen nicht oder nur sehr spärlich eingekauft habe, sei kein Indiz für die Nichtverbuchung von Wareneinkäufen, sondern könne darauf beruhen, daß die Waren in seinem Betrieb nicht gefragt gewesen seien. Das Fehlen in Bestandsaufnahmen könne damit erklärt werden, daß angebrochene Flaschen bei der Inventur oft übersehen würden. Die Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen von jährlich brutto 114.049 DM bis 154.506 DM seien schon deshalb fragwürdig, weil sie – wenn man von den wirklichen und gebuchten Wareneinkäufen ausgehe – auf überhöhten Aufschlagsätzen (370,70 %, 394,72 %, 385,89 %, 357,92 %) und unzutreffenden Gästezahlen (durchschnittlich 60 Personen je Tag) beruhten. In Wirklichkeit bewege sich die tägliche Gästezahl an Wochentagen zwischen 15 und 20 Personen und an Wochenenden zwischen 20 und 25 Personen. Da der Ag. das Geschäftskonto des Ast. gepfändet habe, sei dessen Betrieb so gut wie lahmgelegt. Er sei nicht in der Lage, notwendige Zahlungen zu leisten. Außerdem sei dadurch die Existenz seiner Familie gefährdet.
Die Ast. beantragen,
die Vollziehung der USt-Bescheide 1994 vom 10.9.1999, 1995 bis 1997 vom 17.9.1999, der GewSt-Meßbescheide 1994 bis 1997 vom 13.9.1999 und der ESt-Bescheide 1994 bis 1997 vom 10.9.1999 in voller Höhe auszusetzen.
Der Ag. beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt – unter Bezugnahme auf seinen Prüfungsbericht – vor:
Die Hinzuschätzungen seien gerechtfertigt, weil die Buchführung des Ast. in formeller Hinsicht nicht ordnungsmäßig sei und die Nachkalkulationen auch hinreichende Zweifel an ihrer sachlichen Richtigkeit begründeten. Die Kassenführung sei desh...