Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge der unrichtigen Sachbehandlung als Einwendung gegen den Kostenansatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rüge der unrichtigen Sachbehandlung stellt eine im Rahmen der Erinnerung zulässige Einwendung gegen den Kostenansatz dar.
2. Eine unrichtige Sachbehandlung setzt ein erkennbares Versehen oder schwere offensichtliche Verstöße gegen eindeutige Vorschriften bei der Entscheidung voraus.
3. Die Kosten des Verfahrens dürfen offensichtlich und eindeutig keiner Person auferlegt werden, in deren Namen die Klage vollmachtlos erhoben wurde.
Normenkette
GKG § 66; FGO §§ 57, 62 Abs. 6; GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I.
Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die Kostenrechnung in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U.
In dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U hatte die … kanzlei A im Namen der Erinnerungsführerin und des Herrn B Klage wegen Einkommensteuer 2016 bis 2018 und Umsatzsteuer 2018 gegen das Finanzamt C erhoben. Als gemeinsame Adresse der Eheleute hatten die Prozessbevollmächtigten die Anschrift „xxx” angegeben. Eine Prozessvollmacht hatte die Kanzlei in dem Verfahren nicht vorgelegt. Die Kostenrechnungen konnten den Klägern unter den angegebenen Adressen nicht bekanntgegeben werden, der Kostenbeamte des Finanzgerichts stellte daraufhin am 20.07.2020 eine EMA-Anfrage. Die Anfrage ergab, dass die Klägerin unter der Adresse „yyy” und der Kläger unter der Adresse „zzz” gemeldet war.
Nachdem innerhalb der vom damaligen Berichterstatter gesetzten Ausschlussfristen nach § 65 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie § 75 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 18.08.2020 kein Sachvortrag der Kläger erfolgt war, wies der damalige Berichterstatter die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2020 als unzulässig ab und legte den Klägern die Kosten des Verfahrens gem. § 135 Abs. 1 FGO (als Gesamtschuldnern) auf.
Mit Datum vom 15.10.2020 ergingen zunächst hälftige Kostenrechnungen über jeweils 292 € an beide Kläger, die Erinnerungsführerin und Herrn B (Verfahrenskosten bei einem Streitwert in Höhe von 5.000 €).
Die zentrale Zahlstelle der Justiz teilte dem Finanzgericht Münster am 16.10.2020 mit, dass Herr B amtsbekannt pfandlos sei.
Mit Datum vom 15.12.2020 erging eine zweite Rechnung (Zweitschuldnerrechnung) an die Erinnerungsführerin über die gesamten Verfahrenskosten in Höhe von 589 € (584 € Verfahrenskosten und 5 € Mahngebühr).
Mit Schreiben vom 28.12.2020 wandte sich die Erinnerungsführerin an das Finanzgericht und teilte mit, dass sie keine Klage vor dem Finanzgericht Münster eingereicht habe. Sie habe auch keinen Rechtsanwalt/keine Rechtsanwältin mit der Einleitung des Klageverfahrens beauftragt. Sie werde seit dem Jahr 2015 von ihrem geschiedenen Ehemann getrennt veranlagt und habe auch eine eigene Steuernummer. Für die Jahre 2016 bis 2018 habe sie stets gesonderte Steuerbescheide erhalten. Von dem Klageverfahren habe sie erstmals mit Zustellung der Kostenrechnung erfahren. Gleichzeitig legte sie ausdrücklich Erinnerung ein und bat um Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U ihr gegenüber keine Kosten zu erheben.
Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerung im Verfahren 9 Ko 3642/20 GK nicht abgeholfen. Zur Begründung hat er ausgeführt: „Mit der Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) können Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, d.h. gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert. Vorliegend mache der Erinnerungsführer derartige Einwendungen nicht geltend.”
Am 07.01.2021 teilte die zuständige Sachbearbeiterin beim Finanzamt C, Frau D, dem Einzelrichter auf dessen Nachfrage telefonisch mit, dass die im Verfahren 9 K 1137/20 E, U streitgegenständlichen Bescheide nur an den Kläger gerichtet gewesen seien. Auch das Einspruchsverfahren sei nur vom Kläger betrieben worden (siehe Telefonvermerk, Bl. 39 der Gerichtsakte in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U).
Mit Schreiben vom 07.01.2020 hat der Einzelrichter die …kanzlei A in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U aufgefordert, bis zum 28.01.2021 für das Verfahren 9 K 1137/20 E, U eine Vollmacht für beide Kläger vorzulegen (Bl. 39 der Gerichtsakte in dem Verfahren 9 K 1137/20 E, U).
Eine Prozessvollmacht der Erinnerungsführerin hat die Kanzlei hieraufhin nicht vorgelegt.
Der Einzelrichter hat die Gerichtsakten der Verfahren 9 Ko 3643/20 GK und 9 K 1137/20 E, U beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung hat Erfolg.
1. Gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 GKG, das gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 GKG auf Verfahren vor Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der FGO anzuwenden ist, entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind (§ 66 Abs. 1 Satz 1 GKG), über die Erinnerung gegen den Kostenansatz durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Senats ist der Berichterstatter Einzelrichter i.S.d. § 66 GKG.
2. Die Erinnerung ist begründet.
a) Zwar kann die Kostengrundentscheidung, also die Frage, ob die Kosten zu R...