Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum besonderen Aussetzungsinteresse bei einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung betreffend die Grundsteuerwertfeststellung sowie den Grundsteuermessbetrag aufgrund geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Aussetzung der Vollziehung bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit eines dem Verwaltungsakt zugrundliegenden formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes erfordert grundsätzlich, dass ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt.
2) Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt es einerseits auf die Bedeutung des durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung für den Gesetzesvollzug sowie das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an.
3) Auch für die Aussetzung der Vollziehung der Grundsteuerwertfeststellung aufgrund verfassungsrechtlicher Zweifel ist ein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich, welches – falls nicht die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtige bedroht ist - nicht vorliegt.
Normenkette
BewG §§ 218 bis 263; FGO § 69
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheids sowie des Grundsteuermessbetragsbescheids mit der Begründung, die Ermächtigungsgrundlage der angegriffenen Bescheide sei verfassungswidrig.
Der Antragsteller ist Berechtigter des (durch Bebauung ausgenutzten) Teilerbbaurechts […] G01. Die Eigentumswohnung hat eine Wohnfläche von 73 m². Zu dem Teileigentum gehört eine Garage.
Infolge der Erklärung des Antragstellers zur Feststellung des Grundsteuerwerts vom 07.01.2023 stellte der Antragsgegner zunächst am 17.07.2023 den Grundbesitzwert auf den 01.01.2022 fest und setzte den Grundsteuermessbetrag auf den 01.01.2025 fest.
Nach Einlegung der Einsprüche vom 07.08.2023 änderte der Antragsgegner die Bescheide am 22.09.2023. Er stellte den Grundsteuerwert auf 106.200,– EUR fest. Den Grundsteuermessbetrag setzte er auf 32,92,– EUR fest.
Hiergegen legte der Antragsteller Einsprüche ein und beantragte, die Vollziehung der beiden Bescheide vorläufig auszusetzen. Über die Einsprüche hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.04.2024 ab. Bei Abwägung des individuellen Aussetzungsinteresses des Antragstellers mit dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes überwiege Letzteres.
Am 01.07.2024 hat der Antragsteller einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Bescheide betreffend die Grundsteuerwertfeststellung sowie des Grundsteuermessbetrags gestellt. Die Grundsteuerbewertung sei verfassungswidrig. Das Gesetz führe aufgrund der einheitlichen Mietstufe einer Kommune zu einer systematischen Überbewertung von Immobilien in schlechter Lage. Da bei Erbbaurechten der Erbbauzins nicht wertmindernd bei der Ermittlung des Rohertrags berücksichtigt werden könne, trete eine weitere Wertverzerrung ein. Das neue Recht zur Grundsteuerwertermittlung entspreche nicht den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217, aufgestellten Maßgaben.
Unabhängig davon, ob ein besonderes Aussetzungsinteresse gegenüber einem staatlichen Vollzugsinteresse bestehen müsse, überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Dieser müsse auch im Interesse seiner Mieter gegen die Grundsteuerwertfeststellung vorgehen, da diese aufgrund der Umlagefähigkeit der Grundsteuer durch diese nicht unerheblich wirtschaftlich belastet seien, während der Ausfall der hier vorliegenden potentiellen Grundsteuer für die hebeberechtigte Kommune diese nur rechnerisch belaste, ohne dass die Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten eingeschränkt werde. Dass neben dem Antragsteller auch weitere Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hätten oder stellen würden, sei derzeit nicht erkennbar, weshalb die geordnete Haushaltsführung der Kommunen nicht bedroht sei. Maßstab könne aufgrund der nur geringen Anzahl von Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung deshalb nicht das gesamte voraussichtliche Grundsteueraufkommen sein. Eine etwaige zusprechende Einzelfallentscheidung wäre gleichfalls nicht auf andere Steuerpflichtige übertragbar.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung der Bescheide vom 22.09.2023 über die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 01.01.2022 und über die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den 01.01.2025 auszusetzen,
hilfsweise, für den Fall der Ablehnung des Antrags, die Beschwerde zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen;
hilfsweise, für den Fall der Stattgabe, die Beschwerde zuzulassen.
Es beständen keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen G...