Entscheidungsstichwort (Thema)
Freikauf vom türkischen Wehrdienst
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für den Freikauf vom türkischen Wehrdienst können weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig sind die Einkommensteuerfestsetzungen 2007 und 2008, dort insbesondere die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG), eines Ausbildungsfreibetrags und außergewöhnlicher Belastungen in Form von Aufwendungen zum Freikauf vom türkischen Wehrdienst.
Nachdem die Kl. trotz Aufforderung keine Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen für 2007 und 2008 abgegeben hatten, schätzte der Beklagte (Bekl.) die Besteuerungsgrundlagen mit den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden ESt-Bescheiden vom 22.03.2013 unter Berücksichtigung der von den Arbeitgebern auf elektronischem Weg übermittelten Daten und setzte die ESt 2007 auf … EUR und die ESt 2008 auf … EUR fest. Hiergegen richteten sich die Einsprüche der Kl. vom 23.04.2013. Als die Kl. die in Aussicht gestellten Steuererklärungen weiterhin nicht einreichten, wies der Bekl. die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 02.08.2013 als unbegründet zurück.
Daraufhin haben die Kl. Klage erhoben, zu deren Begründung sie die ESt-Erklärungen für 2007 und 2008 eingereicht haben. In diesem Zusammenhang haben die Kl. den Erlass der Nachzahlungsbeträge beantragt, weil Ihnen eine Zahlung in dieser Höhe nicht möglich sei.
Da sich aufgrund der nunmehr eingereichten ESt-Erklärung 2007 keine Änderung der bisher festgesetzten ESt ergab, hat der Bekl. mit Bescheid vom 21.08.2013 lediglich den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und die beantragte Arbeitnehmersparzulage gewährt. Die von den Kl. für 2008 nunmehr erklärte ESt i.H.v. … EUR war hingegen um … EUR höher als die bisher festgesetzte ESt, so dass der Bekl. die ESt 2008 mit dem gemäß § 164 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid vom 21.08.2013 auf … EUR festgesetzt hat.
Nach Erlass der ESt-Änderungsbescheide 2007 und 2008 vom 21.08.2013 haben die Kl. mit dem an den Bekl. gerichteten Schreiben vom 10.09.2013 noch Folgendes geltend gemacht: Für ihre Kinder seien ihnen noch Kinderfreibeträge und Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG) zu gewähren. Diese Freibeträge seien nicht bloß bei der Berechnung des Solidaritätszuschlags und der Arbeitnehmer-Sparzulage zu berücksichtigen, sondern auch bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens, was jedoch nicht erfolgt sei. Allein durch das ausgezahlte Kindergeld sei die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder nicht bewirkt worden. Für 2008 sei zudem ein Ausbildungsfreibetrag für ihr volljähriges Kind V zu berücksichtigen. Außerdem würden sie, die Kl., davon ausgehen, dass die Höhe der ESt weiterhin nur geschätzt sei. Schließlich seien ihm, dem Kl., in 2008 noch außergewöhnliche Belastungen entstanden, die zu berücksichtigen seien. So habe er sich in 2008 von der türkischen Wehrdienstpflicht freigekauft. Als türkischer Staatsangehöriger sei er in der Türkei wehrdienstpflichtig gewesen und sei verpflichtet gewesen, der 18 Monate andauernden türkischen Wehrdienstpflicht in der Türkei nachzukommen. Als in Deutschland ansässiger türkischer Staatsbürger habe er diese Wehrdienstpflicht längstens bis zum 38. Lebensjahr zurückstellen können. Um der regulären Dienstableistung in der Türkei zu entgehen, habe er von der bestehenden Möglichkeit Gebraucht gemacht, sich vom türkischen Wehrdienst für 5.112 EUR freizukaufen und nur für ca. drei Wochen einer kurzzeitigen Ausübung der Wehrdienst nachzukommen. Er, der Kl., habe sich dabei nicht freiwillig für den Freikauf entschieden. Der Freikauf sei für ihn vielmehr unvermeidbar und zwangsläufig gewesen. Denn die Ausübung des regulären türkischen Wehrdienstes hätte für ihn und seine Familienangehörigen, die sämtlich bereits die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten, eine unvorstellbare Härte bedeutet. Er hätte nicht nur seine Arbeitsstelle verloren. Nach deutschem Aufenthaltsrecht wäre zudem die Aufenthaltserlaubnis wegen der langzeitigen Abwesenheit gelöscht worden; eine Weitererteilung sei nicht mehr möglich gewesen. Dies hätte die unerwünschte Auflösung der Familie bedeutet. Für den Freikauf seien Aufwendungen in Höhe von insgesamt 5.534 EUR angefallen: Zahlung zum Freikauf, Zahlungsbeleg vom 26.05.2008, in Höhe von 5.112 EUR, Konsulatsgebühren in Höhe von 122 EUR und pauschale Flugkosten in Höhe von 300 EUR.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
die ESt-Änderungsbescheide 2007 und 2008 vom 21.08.2013 dahingehend zu ändern, dass für 2007 und 2008 jeweils Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von jährlich insgesamt 11.616 EUR bei gleichzeitiger Hinzurechnung des ausgezahlten Kindergeldes von jährlich insgesamt 3.696 EUR berücksichtigt werden sowie für 2008 ein Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG in Höhe von 924 EUR und weitere außerg...