Entscheidungsstichwort (Thema)
Handlungsfähigkeit einer aufgelösten Limited
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Auflösung ("dissolution") einer englischen Limited hat die unmittelbare Beendigung der Gesellschaft zur Folge; mit der Auflösung ist die Limited rechtlich nicht mehr existent.
2) Für Zwecke des Besteuerungs- und finanzgerichtlichen Verfahrens gilt die Limited als fortbestehend und damit als beteiligtenfähig.
3) Eine aufgelöste Limited ist nicht mehr durch ihre bisherigen Organe handlungsfähig.
4) § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG bzw. § 273 Abs. 4 AktG können in diesem Fall jedenfalls dann entsprechend herangezogen werden, wenn die Limited ihren Verwaltungssitz in Deutschland hatte bzw. ausschließlich in Deutschland wirtschaftlich tätig war.
Normenkette
GmbHG § 66 Abs. 5; AktG § 273 Abs. 4; FGO § 62
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus einem Grundstücksverkauf.
Die Klägerin ist eine aufgelöste Gesellschaft in der Rechtsform einer „private company limited by shares” (Limited) nach englischem Recht. Laut den in den Steuerakten vorhandenen Unterlagen des englischen Companies House wurde die Klägerin dort am 11.7.2006 unter der Company Number xxxxxxx eingetragen („date of incorporation”) und am 11.8.2009 aufgelöst („dissolved”). Gegenstand des Unternehmens der Klägerin („nature of business”) war der Kauf und Verkauf von Grundstücken. Als „registered office” wird eine Adresse in England benannt (…). Unter „share Capital” ist angegeben, dass ein Anteil („share”) zu 1 EUR ausgegeben wurde. Alleiniger Gesellschafter („shareholder”) war Herr X. (X), für den eine Adresse in Deutschland angegeben ist (A-Straße 2, B-Stadt). Dieser ist zugleich als „director” der Klägerin eingetragen worden. Als „accounting reference date” ist der 30.6. angegeben. Es liegt eine beim Companies House eingereichte Gewinnermittlung („annual accounts”) der Klägerin zum 30.6.2007 vor, die von der S. GmbH Steuerberatungsgesellschaft aus C-Stadt erstellt wurde. Die Gewinnermittlung ist unter dem Datum vom 18.4.2008 von X unterschrieben.
Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung war der Beklagte (das Finanzamt – FA –) der Auffassung, die Klägerin habe aus dem An- und Verkauf eines in Deutschland belegenen Grundstücks einen Veräußerungsgewinn von 129.945 EUR erzielt, mit dem diese entweder nach § 1 KStG unbeschränkt oder nach § 2 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG beschränkt steuerpflichtig gewesen sei. Unter dem Datum vom 17.8.2009 erließ das FA einen an X als gesetzlichen Vertreter der Klägerin adressierten und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO stehenden Bescheid über Körperschaftsteuer 2007.
Gegen den vorgenannten Bescheid legte die S GmbH Steuerberatungsgesellschaft im Namen der Klägerin Einspruch ein. Mit einer wiederum an X als gesetzlichen Vertreter der Klägerin gerichteten Einspruchsentscheidung vom 20.9.2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die T. GbR Rechtsanwälte Steuerberater als Prozessvertreter im Namen der Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Hierbei hat sie eine vom 19.10.2010 datierende und offenbar von X unterzeichnete Prozessvollmacht eingereicht, in der als Sache „… Ltd. ./. Finanzamt …” und als Gegenstand des Mandats „Klage gegen KSt 2007” bezeichnet war.
Zugleich hat die vorgenannte GbR als Prozessvertreter im Namen der Klägerin einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids gestellt, der beim FG Münster unter dem Aktenzeichen 9 V 3872/10 geführt wurde. Der Berichterstatter hat in dem vorgenannten AdV-Verfahren auf die Frage hingewiesen, ob bei einer aufgelösten („dissolved”) englischen Limited der bisherige „director” weiterhin vertretungsbefugt und die Klägerin daher handlungs- und prozessfähig sowie die von X erteilte Prozessvollmacht wirksam sei (siehe gerichtliches Schreiben vom 4.3.2011, Bl. 63 f. der GA 9 V 3872/10).
Der für die Klägerin auftretende Prozessvertreter hat daraufhin geltend gemacht, eine aufgelöste („dissolved”) englische Limited bestehe in Deutschland als „Restgesellschaft” fort und werde weiterhin durch das bisherige Vertretungsorgan vertreten. Darüber hinaus sei er bereits mit einer Vollmacht vom 21.7.2009 und damit noch vor der Auflösung („dissolution”) der Klägerin von X zur steuerlichen Vertretung bevollmächtigt worden. Hierzu hat er eine weitere Vollmacht (in Kopie) mit dem vorgenannten Datum eingereicht, in der als Sache „X.” und als Gegenstand des Mandats „steuerliche Vertretung” bezeichnet war (Bl. 157 der GA 9 V 3872/10). Zum Grund der Auflösung („disssolution”) hat er vorgetragen, dass (vermutlich) nach dem Immobilienverkauf keine geschäftliche Tätigkeit mehr ausgeübt und keine Erklärungen bzw. Abschlüsse nach englischem Recht mehr abgegeben worden seien, so dass eine Löschung im Register von Amts wegen erfolgt sei.
Mit Beschluss vom 11.5.2011 hat der Senat den Antrag auf AdV abgelehnt. Er hat den Antrag als unzulässig angesehen, weil der für die Klägerin ...