Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO, Verwertungsverbot bei Außenprüfung ohne wirksame Prüfungsanordnung, Auftragsbestand und Exklusivliefervertrag als selbständig bewertbare immaterielle Wirtschaftsgüter
Leitsatz (redaktionell)
1) Prüfungsanordnungen, die an eine nicht mehr existente Person gerichtet sind - hier eine im Wege der Verschmelzung erloschene Kapitalgesellschaft -, sind nichtig und vermögen keine Hemmung des Ablaufs der Festsetzung- bzw. Feststellungsfrist zu bewirken.
2) Der Umstand, dass eine Außenprüfung ohne wirksame Prüfungsanordnung durchgeführt wurde, rechtfertigt ein Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn die Steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden ist.
3) Ein Liefervertrag, der zwar über einen bloßen Rahmenvertrag hinausgehende Verpflichtungen enthält, jedoch mangels rechtlich verbindlicher Abnahmeverpflichtung des Kunden keine festen Aufträge regelt, begründet kein neben dem allgemeinen Firmenwert eigenständig bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut "Auftragsbestand".
4) Ein Exklusivliefervertrag, dem in einem Kaufvertrag zwar eine nicht unerhebliche Bedeutung, jedoch kein eigenständiger Kaufpreisanteil beigemessen wird und der zudem keine bestimmten Absatzmengen regelt, kann jedenfalls dann, wenn die Warenabnahme der wirtschaftlichen Disposition des Kunden unterliegt, nicht neben dem allgemeinen Firmenwert als eigenständig bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut angesehen werden.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 3; AO § 171 Abs. 4
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Y. GmbH (später firmierend als Y. GmbH), deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, auf Grund der entgeltlichen Übernahme eines Geschäftsbereichs zu Recht in ihrer Bilanz zum 31.12.1995 nicht nur einen Firmenwert, sondern auch einen Auftragsbestand als selbständig bewertungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut angesetzt und in den Streitjahren 1995 bis 1997 gesondert abgeschrieben hat.
Seit April 1995 war die X. GmbH & Co KG, A-Stadt, die alleinige Gesellschafterin der X. Marketing Verwaltungs GmbH, die zu diesem Zeitpunkt keinen aktiven Geschäftsbetrieb unterhielt.
Am 08.06.1995 schlossen die X. Marketing Verwaltungs GmbH und die X. GmbH & Co. KG einen Kaufvertrag („Asset Sale and Purchase Agreement”) über den A-Teil-Geschäftsbetrieb der X. GmbH & Co. KG. Kaufgegenstand waren die zum Werk I-Nord „in A-Stadt” gehörenden Vermögensgegenstände, Schulden, Mitarbeiter sowie Rechte und Pflichten u.a. aus bestehenden Verträgen. Nicht zu den übergehenden Verträgen zählten die wesentlichen direkten Kundenverträge mit einem Automobilhersteller (Automobilhersteller). Einzelheiten zu den übergehenden Verträgen regelte der Kaufvertrag in § 6, in dem u.a. auf das als Anlage 6.1. (a) „Supply Agreement” vom 09.06.1995 zwischen der X… GmbH und der X…. Marketing Verwaltungs GmbH verwiesen wurde. Der Kaufpreis betrug 52.795.000,– DM.
Mit Datum vom 09.06.1995 verkaufte die X. GmbH & Co. KG, A-Stadt, sämtliche Anteile an der X. Marketing Verwaltungsgesellschaft mbH an die Y. Verwaltungs GmbH & Co. KG (Anteilskaufvertrag). Gemäß § 1.3 des Anteilskaufvertrages wurden 75 % der Anteile sofort übertragen und die restlichen 25 % der Anteile sollten nach 3 Jahren übertragen werden. Der Kaufpreis für die Anteile betrug 52.795.000,– DM, wovon 41,25 Mio. DM sofort fällig wurden und weitere 11,545 Mio. DM mit Übertragung der restlichen Anteile (25 % des Stammkapitals) zuzüglich aufgelaufener Zinsen in Höhe von 2,205 Mio. DM. § 3 des Anteilskaufvertrages nahm Bezug auf den notariellen Vermögenskaufvertrag vom 08.06.1995 und § 4 des Anteilskaufvertrages auf weiter noch abzuschließende Verträge. § 5.8 des Anteilskaufvertrages lautete auszugsweise wie folgt:
„Anlage 6.2 des Vermögenskaufvertrages enthält eine umfassende Aufstellung der wesentlichen Verträge, bei denen die Gesellschaft Vertragspartei werden wird…Die Verkäuferin ist einen lebenslangen Vertrag eingegangen mit der Automobilhersteller für A-Teil, die in bestimmten Fahrzeugmodellen benötigt werden, und zwar vorbehaltlich der Standardrechte Autos, diesen Vertrag zu kündigen, wie in Anlage 5.8 (e) ausführlicher beschrieben werden wird…. Die Verträge mit den wichtigen Kunden, wie sie in der Anlage 5.8 (d) aufgelistet werden, sind per Datum dieses Vertrages in Kraft und verbindlich…. Die Käuferin ist sich der Tatsache bewußt, dass der Vorteil solcher Kundenverträge nur auf die Gesellschaft übergehen wird auf der Grundlage des Liefervertrages und des Fertigungs-Liefer- und Leistungsvertrages….”
Die Y. Verwaltungs GmbH & Co. KG in B-Stadt war ihrerseits eine Tochtergesellschaft der S. A. Y…. NV, C-Stadt (B).
Ebenfalls mit Datum vom 09.06.1995 schlossen die X. GmbH, D-Stadt, S. A. Y. NV, C-Stadt (B), und die X. Marketing Verwaltungs GmbH das bereits obengenannte „Supply Agreement”, d.h. einen Liefervertrag für A-Teile für Kraftfahrzeuge (vgl. die von der Klägerin vorgelegte Übersetzung dieses Vertrages; in diesem Vertrag wird die X… Marketing Verwaltungsgesells...