Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Eigentümers von Gegenständen
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Haftung des Eigentümers von Gegenständen nach § 74 AO setzt voraus, dass der Haftungsschuldner im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung noch Eigentümer des Gegenstands ist.
2) Eine Haftung mit den Surrogaten im Falle der Veräußerung ist von § 74 AO nicht erfasst.
3) Ein Verlust der Eigentümerstellung nach Erlass des Haftungsbescheids beeinträchtigt die Haftung nicht.
Normenkette
AO §§ 191, 74
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger (Kl.) als Eigentümer von Gegenständen gemäß § 74 der Abgabenordnung (AO) für Umsatzsteuerschulden der Firma U GmbH & Co KG (im Folgenden: KG) haftet.
Der Kl. war in den Jahren 2005 bis 2007 als Kommanditist an der KG mit einem Kapitalanteil in Höhe von 25% beteiligt. Die übrigen 75% der Kommanditanteile hielt Herr J U. Die Komplementärin, die U Beteiligungs GmbH, war nicht am Kapital der KG beteiligt. Am Gewinn der KG war der Kl. zu 60% beteiligt.
Der Kl. und Herr J U waren daneben je zur Hälfte Gesellschafter der U GbR (im Folgenden: GbR). Die GbR verpachtete Anlagevermögen an die KG, darunter zwei Grundstücke in C (T-Straße … und …). Am 25.1.2007 wurde durch das Amtsgericht N im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens über das Vermögen der KG ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Am 28.2.2007 richtete der Beklagte (Bekl.) eine Haftungsanfrage an den Kl. Eines der verpachteten Fahrzeuge (Mercedes LKW, amtliches Kennzeichen 123) wurde am 1.3.2007 abgemeldet und verschrottet.
Mit Vertrag vom 27.3.2007 verkaufte die GbR einen Teil des verpachteten beweglichen Anlagevermögens an die X GmbH für insgesamt 100.000,– EUR (netto) und übergab die Gegenstände am selben Tag. Wegen der Bezeichnung der einzelnen Kaufgegenstände wird auf die Anlage zu dem in den Steuerakten befindlichen Kaufvertrag Bezug genommen. Im selben Vertrag veräußerte die …bank C Anlagevermögen an die Erwerberin für 50.000,– EUR. Dabei handelt es sich um Gegenstände, die die GbR an die …bank zur Sicherheit übereignet hatte. Ein weiterer Teil des Anlagevermögens wurde im März 2007 an die L GmbH & Co. KG für 137.000,– EUR (netto) verkauft und übergeben. Wegen der genauen Bezeichnung wird auf die Rechnung der GbR vom 29.3.2007 Bezug genommen.
Die beiden Grundstücke in C wurden mit notariellem Vertrag vom 7.3.2007 an Herrn G verkauft. Der Kaufpreis betrug 250.000,– EUR. Die Auflassung erfolgte ebenfalls am 7.3.2007, die Eintragung des Eigentümerwechsels in das Grundbuch am 20.6.2007.
Über das Vermögen der KG wurde am 1.4.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Durch Haftungsbescheid vom 21.5.2007 nahm der Bekl. den Kl. für Umsatzsteuerverbindlichkeiten der KG aus den Veranlagungszeiträumen 2005, 2006, Januar bis März 2007 und Sondervorauszahlung 2007 in Höhe von insgesamt 214.949,98 EUR gemäß § 74 AO Anspruch. Zur Begründung führte er aus, dass das verpachtete Anlagevermögen der KG im Haftungszeitraum als wesentliche Betriebsgrundlage gedient habe. Der Kl. sei zwar nur zu 25% am Kapital der KG beteiligt, aber nach der Personengruppentheorie sei eine Gesamtbetrachtung beider Gesellschafter der GbR vorzunehmen, die gemeinsam zu 100% am Kapital der KG beteiligt seien.
Die Haftung wurde gegenständlich auf im Haftungsbescheid genau bezeichnete Gegenstände beschränkt, darunter die beiden Grundstücke in C, ein weiteres Grundstück in R und diverse andere Gegenstände des Anlagevermögens. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung im Haftungsbescheid Bezug genommen. Soweit die Gegenstände nicht mehr im Eigentum des Kl. oder der GbR stünden, erstrecke sich die Haftung auf die Surrogate, da das in § 281 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) a. F. enthaltene Surrogationsprinzip auch im öffentlichen Recht gelte.
Neben dem Kl. wurden auch Herr J U nach § 74 AO in gleichem Umfang und der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, Herr V, nach § 69 AO in Höhe von 104.554,– EUR jeweils mit Bescheiden vom 21.5.2007 in Anspruch genommen.
Gegen den Haftungsbescheid legte der Kl. am 11.6.2007 Einspruch ein, den er damit begründete, dass das gesamte Anlagevermögen vor Erlass des Haftungsbescheids veräußert bzw. verschrottet worden sei. Die Verkaufserlöse seien vollständig zur Rückführung von Verbindlichkeiten gegenüber Banken verwendet worden, so dass keine Bereicherung mehr vorliege. Das Grundstück in R habe niemals im Eigentum der GbR oder einer ihrer Gesellschafter gestanden.
Nach Hinweis auf eine verbösernde Entscheidung erließ der Bekl. am 1.10.2008 eine Einspruchsentscheidung, mit der er die Haftungssumme aufgrund entsprechend geänderter Steuerfestsetzungen auf 232.899,– EUR erhöhte. Aus der Haftung wurden dagegen diejenigen Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens herausgenommen, die bereits in den Jahren 2005 und 2006 ausgeschieden waren, die zw...