Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung nicht direkt zurechenbarer Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein an die Anzahl oder Standfläche der eingesetzten Spielgeräte anknüpfender Aufteilungsmaßstab ist wegen der Schwankungsbreite der Einspielergebnisse der verschiedenen Geräte strukturell nicht geeignet, den notwendigen Bezug zwischen dem auf jedes Gerät entfallenden Anteil der Aufwendungen für die Anmietung und Unterhalt der Räumlichkeiten und den mit diesem Gerät ausgeführten Umsätzen herzustellen.
2. Ein Hinweis auf die Richtlinien und den darin benannten Aufteilungsmaßstab kann hinfällig sein, wenn der erkennende Senat diese Aufteilung für nicht sachgerecht hält und insoweit an norminterpretierende Verwaltungsanweisungen nicht gebunden ist.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1; UStR 2008 Abschn. 208; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzungen für 1996 und 1997, ob der Beklagte die nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern nach dem sog. Umsatzschlüssel auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin aufteilen durfte.
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres während des Klageverfahrens am 01.08.2006 verstorbenen Ehegatten IC. IC war – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – in den Streitjahren Organträger einer umsatzsteuerlichen Organschaft, der als Organgesellschaften die Q GmbH, die N GmbH, die V GmbH und die T GmbH angehörten. Die Mitglieder dieses Organkreises betrieben in den Jahren 1996 und 1997 mehrere Spielhallen, in denen sowohl Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit als auch Unterhaltungsspielgeräte aufgestellt waren.
In seinen am 04.09.1998 und am 16.11.1998 eingereichten USt-Erklärungen für die Streitjahre erfasste IC sowohl die Umsätze mit den Geldspielgeräten als auch die Umsätze mit den Unterhaltungsspielgeräten als steuerpflichtige Leistungen. Nachdem der Beklagte am 13.09.2001 geringfügig geänderte USt-Bescheide für die Jahre 1996 und 1997 erlassen hatte, legte IC mit Schreiben vom 10.10.2001 Einspruch gegen diese Bescheide ein. Zur Begründung verwies er auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.11.2000 (V B 187/00, BFH/NV 2001, 657), wonach es ernstlich zweifelhaft sei, ob Geldspielautomatenumsätze gemeinschaftsrechtlich besteuert werden dürften. Dieser Einspruch wurde von den Beteiligten im Hinblick auf ausstehende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BFH zu der Steuerpflicht von Umsätzen mit Geldspielgeräten einvernehmlich ruhend gestellt.
Am 17.02.2005 entschied der EuGH zur Steuerpflicht von Geldspielgeräten, dass es mit Art. 13 Teil B Buchst. F der Richtlinie 77/388/EWG (Sechste Umsatzsteuerrichtlinie, ABl. 1977 L 145/1) unvereinbar sei, die Veranstaltung oder den Betrieb von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei zu stellen, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung derselben Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber seien, nicht gelte (EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005, C-453/02 u.a., Linneweber u.a, Slg. 2005, I-1131). Das Folgeurteil des BFH in dieser Sache erging am 12.05.2005 (BFH-Urteil vom 12. Mai 2005 V R 7/02, BFHE 210, 164, BStBl. II 2005, 617).
Mit Schreiben vom 27.07.2005 stellte IC den Antrag, die USt-Festsetzungen für die Streitjahre nach Maßgabe der geänderten Rechtsprechung zu ändern und die USt für 1996 um DM 169.113,52 und für 1997 um DM 154.215,69 herabzusetzen. Zu der im vorliegenden Verfahren streitigen Aufteilung der nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern führte IC aus: Die nach § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) notwendige Aufteilung der Vorsteuern sei, soweit wie möglich, nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung erfolgt. Nur bei Vorsteuerbeträgen, für die kein wirtschaftlich nachvollziehbarer Aufteilungsmaßstab gefunden worden sei, habe er – IC – auf den Umsatzschlüssel zurückgegriffen. Aus den zur Begründung des Antrags eingereichten Berechnungen ergab sich dabei, dass Vorsteuern aus Lieferungen und Leistungen, die mit der Anmietung und dem Unterhalt der betrieblich genutzten Räumlichkeiten in Zusammenhang standen (Miete, Gas, Strom, Wasser, Reinigung, Beiträge, Werbung, Reparaturen) nach dem Verhältnis der für die Erzielung der jeweiligen Umsätze beanspruchten Standflächen aufgeteilt wurden und die übrigen Vorsteuern nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze zu den Gesamtumsätzen des Unternehmens.
Der Beklagte führte aufgrund dieses Änderungsantrags ab dem 02.11.2005 eine USt-Sonderprüfung bei IC durch. In dem Bericht über die USt-Sonderprüfung vom 27.02.2006, dem bereits die geänderte Rechtsprechung des EuGH zur Steuerfreiheit von Umsätzen mit Geldspielgeräten zu Grunde lag, vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern des Unternehmens aus...