Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Fristhemmung bei Festsetzungsfrist durch Grundlagenbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden, die nicht dem Anwendungsbereich der §§ 179ff. AO unterliegen, bewirken nur dann eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die betreffende Steuer erlassen worden sind.

 

Normenkette

AO § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 179

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.09.2016; Aktenzeichen V R 40/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) zu Recht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung den Erlass eines zu Gunsten der Klägerin geänderten Bescheids für die Umsatzsteuer (USt) für das Streitjahr 1991 abgelehnt hat.

Die Klägerin, die im Streitjahr eine …schule betrieb, reichte ausweislich der bei den Akten befindlichen Abrechnung vom 15.6.1993 zu ihrer USt-Erklärung 1991 – die USt-Erklärung selbst befindet sich nicht (mehr) bei den Verwaltungsakten – diese spätestens im Jahr 1993 beim FA ein. Nach ihrem Vortrag versteuerte die Klägerin darin die Umsätze mit der …schule als steuerpflichtige Umsätze.

Auf ihren Antrag erteilte die Bezirksregierung B der Klägerin am 10.7.2006 eine in Bezug genommene Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG), wonach die Klägerin ab dem 1.1.1982 mit den in der Bescheinigung enumerativ aufgeführten Fächern auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitete. Unter Aufhebung der Bescheinigung vom 10.7.2006 erteilte die Bezirksregierung B der Klägerin am 25.1.2010 eine in Bezug genommene, ab 1.1.1981 unbefristet geltende Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, wonach die Klägerin mit den in der Bescheinigung enumerativ aufgeführten Fächern auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitete. Beide Bescheinigungen waren an den Prozessvertreter der Klägerin als Empfangsbevollmächtigten der Klägerin adressiert; dieser beantragte namens der Klägerin mit Schreiben vom 30.10.2008 unter Verweis auf die Bescheinigung der Bezirksregierung B eine Änderung u.a. der USt-Festsetzung für 1991 dahin, dass die USt für 1991 auf 0 DM bzw. 0 EUR festgesetzt wird. Im Schreiben vom 30.10.2008, Eingang beim FA am 31.10.2008, auf das Bezug genommen wird, heißt es u.a.: „Die Steuerberaterin meiner Mandantin durchforstete ihr Archiv und fand Unterlagen, die berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1981-1985 und 1988 ermöglichen. … Es wird beantragt, die Umsatzsteuer für die Jahre 1981-1985, 1988 sowie 1986, 1990 und 1991 mit Null DM/EUR festzusetzen und die Zuvielzahlungen zu erstatten.” Mit Bescheid vom 10.11.2008 lehnte das FA den Antrag vom 31.10.2008 für das Streitjahr mit der Begründung ab, dass der Antrag in verjährter Zeit gestellt worden sei. Mit Ablauf des 13.7.2008 sei Festsetzungsverjährung eingetreten, da die Bescheinigung der Bezirksregierung vom 10.7.2006 datiere. Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 20.1.2011 als unbegründet zurück: Die Festsetzungsfrist sei am 14.7.2008 abgelaufen. Eine Verlängerung der Frist nach § 171 Abs. 10 Abgabenordnung (AO) sei gesetzlich nicht vorgesehen und komme auch unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen nicht in Betracht. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO sei nicht zu gewähren, da die Festsetzungsfrist als eine gesetzliche Frist einer Wiedereinsetzung nicht zugänglich sei.

Hiergegen richtet sich die am 19.2.2011 erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Ziel einer Änderung der USt-Festsetzung für 1991 zu Ihren Gunsten weiter verfolgt: Die dem FA bereits am 25.7.2006 vorgelegte, nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG von der Bezirksregierung B erstellte Bescheinigung vom 10.7.2007 (gemeint wohl 10.7.2006) bewirke ungeachtet der Regelung des § 171 Abs. 10 AO eine Ablaufhemmung in analoger Anwendung des § 171 Abs. 3 AO. Wenn im auf eine Steuerfestsetzung gerichteten Antragsverfahren die Festsetzungsfrist nicht ablaufe, bevor über den Antrag entschieden sei, müsse dies erst recht für den Streitfall gelten, in dem die USt-Festsetzung für 1991 von Amts wegen nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO hätte geändert werden müssen. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO sei erst nach Einreichung des Änderungsantrags am 28.1.2012 abgelaufen, da für die Fristberechnung der Bescheid der Bezirksregierung B vom 25.1.2010 und nicht der frühere inzwischen aufgehobene Bescheid vom 10.7.2006 maßgeblich sei. Nach Erlass des BFH-Urteils vom 21.2.2013 V R 27/11 (BFH/NV 2013, 1138), gegen das nach Aussage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben worden ist, trägt die Klägerin ergänzend vor: Zwar habe der BFH unter Ziffer II 3 c der Entscheidungsgründe dieses Urteils angenommen, dass trotz nicht ordnungsmäßig...

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