Entscheidungsstichwort (Thema)
Stundung eines Rückforderungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die mangelnde sachliche Zuständigkeit der Behörde wird dadurch geheilt, dass die sachlich und örtlich zuständige Behörde den Einspruch geprüft und darüber in der Sache durch Einspruchsbescheid entschieden hat.
2. Stundungswürdig ist, wer seine Zahlungsschwierigkeiten selbst verursacht oder sonst durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Stpfl. seine Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG verletzt hat, weil er den Wegzug seines Kindes in das Ausland nicht angezeigt hat.
3. An einer Stundungsbedürftigkeit fehlt es, wenn der Stpfl. durch Pfändungsschutzvorschriften vor Vollstreckungsmaßnahmen geschützt ist.
Normenkette
EStG § 68 Abs. 1; AO § 222 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Stundung eines Rückforderungsanspruchs wegen zu erstattendem Kindergeld zzgl. Säumniszuschlägen.
Mit Bescheid vom 15.05.2019 lehnte die Bundeagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit S-Stadt, den Antrag des Klägers vom 25.03.2019 auf Ratenzahlung bzw. auf Stundung einer Forderung in Höhe von 1.104 EUR, resultierend aus dem bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Familienkasse P vom 17.04.2015 über Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2014 bis März 2015, ab. Zugleich lehnte sie eine Stundung der verwirkten Säumniszuschläge (407 EUR, berechnet bis zum 4.06.2018) ab.
Der Kläger machte mit Schreiben vom 11.10.2019 erneut geltend, er könne die Forderung von 1.104 EUR lediglich in Raten von 10 EUR monatlich zurückzahlen und fragte zugleich an, inwiefern es möglich sei, auf die Rückforderung der Säumniszuschläge zu verzichten. Hierauf antwortete die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit S-Stadt, mit formlosem Schreiben vom 4.11.2019, sie könne der Bitte auf Erlass der Säumniszuschläge zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachkommen. Es bestehe die Möglichkeit, nach Tilgung der Kindergeldforderung die Hälfte der angefallenen Säumniszuschläge auf Antrag zu erlassen. Hinsichtlich der begehrten Stundung verwies sie auf den ablehnenden Bescheid vom 15.05.2019.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Dezember 2019 mitgeteilt hatte, dass ihm der Bescheid vom 15.05.2019 nicht bekannt gegeben worden sei, übersandte ihm die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit S-Stadt, diesen Bescheid im Januar 2020 erneut.
Den darauf erhobenen Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.07.2020 zurück. Es lägen weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vor, wegen derer die Einziehung der Forderung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte im Sinne des § 222 der Abgabenordnung (AO) für den Kläger bedeuten würde. Insbesondere sei der Kläger nicht stundungswürdig. Er habe seine in § 68 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) normierten Mitwirkungspflichten verletzt, weil er der Familienkasse nicht mitgeteilt habe, dass das Kind F. Q. seit dem 14.09.2014 in der Türkei lebe. Über seine Mitwirkungspflichten sei er bei der Beantragung des Kindergeldes per Merkblatt und in jedem Festsetzungsbescheid informiert worden. Hätte er ordnungsgemäß mitgewirkt, wäre es nicht zur Überzahlung des Kindergeldes gekommen, weil die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung in diesem Falle rechtzeitig hätte aufheben können. Überdies stehe einer Stundung entgegen, dass die Forderung durch die Stundung gefährdet sei. Da der Kläger seinen Lebensunterhalt von unpfändbarem Einkommen bestreite, sei davon auszugehen, dass er nicht nur vorübergehend in seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gemindert sei.
Eine Ratenzahlungsvereinbarung sei gesetzlich nicht vorgesehen und den Familienkassen durch die aktuelle Dienstanweisung untersagt.
Der Einspruchsentscheidung waren nach der Rechtsbehelfsbelehrung und dem Namen des Bearbeiters „weitere Hinweise außerhalb des Einspruchsverfahrens” beigefügt. Diese lauteten auszugsweise: „Es fallen weiterhin Säumniszuschläge an.” … „Falls Sie Einwände gegen die erhobenen Säumniszuschläge haben, können Sie bei dem Inkasso-Service der Agentur für Arbeit S-Stadt einen Abrechnungsbescheid beantragen, gegen den Sie dann ggf. Einspruch einlegen können.” Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, als Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei er mangels ausreichender finanzieller Mittel stundungsbedürftig. Die Säumniszuschläge seien ihm zu erlassen, da er rechtzeitig angezeigt habe, dass er die entsprechende Forderung aus finanziellen Gründen nicht fristgerecht begleichen könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 15.05.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.07.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Ratenzahlung in Höhe von 10 EUR monatlich zu bewilligen, sowie die verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen,
hilfsweise ...