Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung der echten Rückwirkung bei Gesetzesänderung; Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung eines d. Unternehmen zugeordneten Gebäudes
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage besteht nicht, wenn damit zu rechnen ist, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen wird, um eine aufgrund geänderter Rechtsprechung entstandene Regelungslücke zu schließen.
2. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 10 Abs. 4 UStG war zum maßgeblichen Zeitpunkt (1. Juli 2004) mit einer Neuregelung zu rechnen, da absehbar war, dass der Gesetzgeber auf die sog. "Seeling-Rechtsprechung" reagieren würde.
Normenkette
UStG § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes.
Die Klägerin (Klin.) ist Eigentümerin des Grundstücks M-weg … in C, das mit einem im Jahr 2001 fertig gestellten Einfamilienhaus bebaut ist. Einige Räume des Hauses vermietete sie mit Mietvertrag vom 30. Juli 2001 an ihren Ehemann, der dort seitdem eine Steuerberaterpraxis betreibt. Im Übrigen wird das Gebäude von den Eheleuten zu Wohnzwecken genutzt. Die vermieteten Räume machen 27,96% der Gesamtfläche des Einfamilienhauses aus.
Die Klin. ordnete das Grundstück in vollem Umfang ihrem Unternehmensvermögen zu und nahm den gesamten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes (284.080,55 EUR × 16% = 45.452,89 EUR) in Anspruch.
In ihrer am 27. Juli 2006 beim Beklagten (Bekl.) eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2004 gab die Klin. sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 4.099,– EUR an. Diesen Betrag errechnete sie mit 2% der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes (72,04% von 284.080,55 EUR = 204.651,63 EUR) entfallenden mit Vorsteuerabzug belasteten Herstellungskosten. Die Umsatzsteuererklärung ergab eine festzusetzende Steuer in Höhe von 964,38 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 15. August 2006 erhöhte der Bekl. die Umsatzsteuerfestsetzung auf 3.736,06 EUR. Dabei berücksichtigte er eine auf die Gebäudenutzung entfallende unentgeltliche Wertabgabe in Höhe von 204.651,63 EUR × 10% = 20.465,16 EUR sowie weitere auf Nebenkosten (Wasser, Strom und Heizung) entfallende Beträge.
Am 15. September 2006 legte die Klin. Einspruch ein, mit dem sie eine Berechnung der unentgeltlichen Wertabgabe mit 2% begehrte und sich gegen die Höhe des Ansatzes der auf die Nebenkosten entfallenden unentgeltlichen Wertabgabe wendete. Nachdem der Bekl. die Umsatzsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 auf 3.714,07 EUR herabgesetzt hatte, war die Höhe des Ansatzes der Nebenkosten nicht mehr streitig. Mit Änderungsbescheid vom 11. Oktober 2007 setzte der Bekl. die Umsatzsteuer auf 2.404,31 EUR fest. Die unentgeltliche Wertabgabe wurde in diesem Bescheid mit 12.279,– EUR berücksichtigt. Dabei half der Bekl. dem Begehren der Klin. insoweit ab, als er die auf die Monate Januar bis Juni 2004 entfallende unentgeltliche Wertabgabe mit 2% der anteiligen Herstellungskosten berechnete. Für die übrigen Zeiträume blieb es bei der bisherigen Berechnung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2008 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Die Berechnung der unentgeltlichen Wertabgabe sei nach der Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (EURLUmsG) vom 9. Dezember 2004 mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004 mit 10% der mit Vorsteuerabzug belasteten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Im Gegensatz zu den früheren Zeiträumen gebe es ab diesem Zeitpunkt keine rechtliche Grundlage für den Ansatz der ertragsteuerlichen Abschreibung in Höhe von 2%.
Die Klin. hat am 12. September 2008 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die Gesetzesänderung stelle in Bezug auf den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 14. Dezember 2004 eine unzulässige Rückwirkung dar, da der Tatbestand der Privatnutzung insoweit vor der Veröffentlichung der Gesetzesänderung am 15. Dezember 2004 verwirklicht worden sei.
Die Klin. beantragt (Bl. 20, 52 GA),
den Umsatzsteueränderungsbescheid 2004 vom 15. August 2006, geändert durch Bescheide vom 23. Oktober 2006 und vom 11. Oktober 2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. August 2008, dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer hinsichtlich der unentgeltlichen Wertabgabe dergestalt berechnet wird, dass für die Zeit vom 1.1.2004 bis 14.12.2004 2% und für die Zeit ab 15.12.2004 10% der vorsteuerbelasteten Herstellungskosten berücksichtigt werden.
Der Bekl. beantragt (Bl. 27 GA),
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Die Gesetzesänderung beinhalte keine unzulässige Rückwirkung, da bereits seit dem 13. April 2004 kein Vertrauensschutz mehr bestanden habe. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) habe bereits in seinem Schr...