Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsempfänger i.S.v. § 37 Abs. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
Überweist das Finanzamt Steuererstattungen weisungswidrig nicht auf das benannte Konto, sondern auf ein anderes, inzwischen seitens des Kreditinstituts gekündigtes Konto des Steuerpflichtigen, ist das Kreditinstitut unabhängig von einer zivilrechtlichen Behandlung als bloße Zahlstelle (vgl. dazu BGH v. 5.12.2006 - XI ZR 21/06, NJW 2007, 914) steuerlich auch nach Einführung des Überweisungsgesetzes zum 1.1.2002 als Leistungsempfänger i.S.v. § 37 Abs. 2 AO anzusehen.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, wer Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist, wenn das Finanzamt Steuererstattungen weisungswidrig nicht auf das ihr benannte Konto, sondern auf ein anderes Konto des Steuerpflichtigen überweist.
Aus der USt-Festsetzung 2004 ergab sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 1.115,46 EUR (inkl. 11,00 EUR Zinsen), welchen der Beklagte am 23.06.2006 auf das Konto 350 bei der Sparkasse W zur Auszahlung brachte, obwohl der Steuerberater der Klägerin bereits mit Schreiben vom 22.07.2005 mitgeteilt hatte, dass zukünftige Steuererstattungen auf das Konto 218 bei der Deutschen Bank erfolgen sollen. Inhaberin des zuletzt genannten Kontos ist Frau H, Inhaberin des Kontos 350 ist die Klägerin.
Die Klägerin rügte die Überweisung auf das Konto 350 mit Schreiben vom 27.06.2006 und bat um erneute Erstattung auf das Konto 218. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 05.07.2006 ab unter Hinweis darauf, dass das Geld in den Verfügungsbereich der Klägerin gelangt sei und deshalb schuldbefreiend geleistet sei. Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein, woraufhin der Beklagte seine Auffassung, dass die Erstattung Tilgungswirkung gehabt habe, fallen ließ.
Stattdessen forderte der Beklagte mit „Rückforderungsbescheid gemäß § 218 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 2 AO” vom 11.08.2006 (Bl. 3) den fehlerhaft überwiesenen Betrag von der Klägerin zurück und stellte mit Abrechnungsbescheid vom 14.09.2006 (Bl. 8) fest, dass der USt-Erstattungsanspruch der Klägerin durch Aufrechnung mit dem Rückforderungsanspruch des Beklagten erloschen sei.
Sowohl gegen den Rückforderungsbescheid als auch gegen den Abrechnungsbescheid hat die Klägerin Einspruch erhoben mit dem Einwand, der Beklagte müsse sich hinsichtlich der Rückforderung an die Sparkasse W halten.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit gemeinsamer Einspruchsentscheidung vom 06.02.2007 als unbegründet zurück. Die Inanspruchnahme der Bank sei nicht möglich, wenn diese die Zahlung als Vertreterin oder als Zahlstelle des Kunden entgegengenommen habe. Hiervon sei im Streitfall auszugehen, da im Zeitpunkt der Überweisung ein Girokontenvertrag zwischen der Klägerin und der Sparkasse W bestanden habe.
Nach Klageerhebung trägt die Klägerin erstmals vor, dass das Konto 350 im Zeitpunkt der Überweisung bereits gekündigt gewesen sei. Zum Nachweis verweist sie auf ein Schreiben der Sparkasse W vom 15.10.2004 mit der Bezugszeile „Kreditkündigung” (Bl. 26). Hierin heißt es u.a. wie folgt: „Auf Grund der somit eingetretenen wesentlichen Verschlechterung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse sehen wir uns gezwungen, die Ihnen eingeräumten Kredite wie folgt mit sofortiger Wirkung zu kündigen: ….Konto 350 Inanspruchnahme -39.355,15 EUR …”. Nach der Kündigung habe sie – die Klägerin – keinerlei Kontoauszüge mehr erhalten.
Auf Nachfrage der Berichterstatterin, ob das Kündigungsschreiben vom 15.10.2004 nur den Kreditvertrag oder auch den Girovertrag für das Konto 350 erfasse, antwortete die Sparkasse W mit Schreiben vom 05.07.2007 (Bl. 38), dass die Kündigung das Konto selbst umfasst habe, dieses aus dem normalen Kontoführungssystem herausgenommen und nur als Verrechnungskonto für eingehende Zahlungen und zu leistende Kosten weitergeführt worden sei. Für Konten, die in das spezielle EDV-Programm für notleidende Forderungen eingestellt worden seien, würden keine Kontoauszüge mehr erstellt. Stattdessen würden sog. Forderungsaufstellungen gefertigt, die alle Umsätze erkennen lassen. So sei auch mit dem Konto 350 verfahren. Die Forderungsaufstellung für den Zeitraum 16.10.2004 bis 05.07.2007 wurde zur Gerichtsakte gereicht (Bl. 39 – 42).
Der Beklagte erließ daraufhin am 02.08.2007 einen Rückforderungsbescheid gegen die Sparkasse W, gegen den die Sparkasse W Einspruch eingelegt hat mit der Begründung, das Konto 350 existiere bis zum heutigen Tage und stehe für eingehende Zahlungen zur Verfügung. Eingehende Zahlungen würden der Klägerin gutgeschrieben, wobei die Sparkasse nicht als Leistungsempfängerin, sondern als Zahlstelle fungiere. Über den Einspruch der Sparkasse W ist noch nicht entschieden.
Die Klägerin hält daran fest, dass nicht sie, sondern die Sparkasse W Leistungsempfängerin i.S.d. § 37 Abs. 2 AO sei.
Sie beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 11.08.2006 sowie den Abrechnungsbescheid vom 14.09.2006, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.02.2007, aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger...