rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Halbteilungsgrundsatz gilt nicht bei der Einkommensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte sog. Halbteilungsgrundsatz entfaltet für andere Steuerarten als die Vermögensteuer keine Bindungswirkung nach § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz.

2) Die Besteuerung nach den für die Jahre 1995 und 1996 geltenden Einkommensteuergesetzen ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

GG Art. 14 Abs. 1; BVerfGG § 31

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuer(ESt)-Bescheide 1995 und 1996 unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 (2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655 – Halbteilungsgrundsatz) rechtswidrig sind.

Die verheirateten Kläger (Kl.) werden zur ESt zusammenveranlagt. Sie erzielen aufgrund ihrer Beteiligungen an der … … GmbH & Co KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In den ESt-Bescheiden 1995 und 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung (EE) vom 27.10.1999 wurde die ESt 1995 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von … DM auf … DM und die ESt 1996 auf der Basis eines zu versteuernden Einkommens von … DM auf … DM festgesetzt.

Zur Begründung der gegen die EE mit Schreiben vom 24.11.1999 erhobenen Klage tragen die Kl. vor, die für die Streitjahre festgesetzte ESt widerspreche den Vorgaben des BVerfG im Beschluß vom 22. Juni 1995 (2 BvL 37/91, a.a.O.). Danach begrenzten die verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch ESt und Vermögensteuer den steuerlichen Zugriff auf die Ertragsfähigkeit des Vermögens. Die Vermögensteuer dürfe zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibe. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur hälftigen Teilung des Sollertrages zwischen privater und öffentlicher Hand seien auch auf die Steuern vom Ertrag anzuwenden. Das sei von dem Richter am BVerfG Kirchhof in einem Zeitungsartikel bestätigt worden und ergebe sich auch aus dem Sondervotum des Richters am BVerfG Bockenförde.

In die Berechnung der Gesamtsteuerbelastung seien zumindest die ESt, der Solidaritätszuschlag, die Kirchen-, Vermögen- und Gewerbesteuer einzubeziehen. Die Gesamtsteuerbelastung der Kl. liege, bezogen auf das zu versteuernde Einkommen (z.v.E.) der Streitjahre, deutlich über 50 %:

1995

1996

ESt

294.392,00

372.540,00

ev. Kirchensteuer

13.220,64

16.656,30

rk. Kirchensteuer

13.220,64

16.656,30

Solidaritätszuschlag

21.911,40

27.613,42

anteilige Gewerbesteuer

196.414,00

230.659,00

Gesamtsteuerbelastung

539.158,68

664.125,02

z.v.E.

687.577,00

843.380,00

in % des z.v.E.

78,41

78,75

Aus Vereinfachungsgründen werde jedoch bei der Ermittlung des Betrages der übermäßigen Besteuerung die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag außer Ansatz gelassen. Darüber hinaus werde unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Anforderung, die Gesamtbelastung müsse in der Nähe der hälftigen Teilung liegen, davon ausgegangen, daß eine Übermaßbesteuerung bei einer Belastung von 57,5 % des zu versteuernden Einkommens einsetze. Die Übermaßbelastung errechne sich daher wie folgt:

1995

1996

57,5 % d. z.v.E.

395.356,78

484.943,50

./. ESt

294.392,00

372.540,00

./. anteilige Gewerbesteuer

196.414,00

230.659,00

Übermaßbelastung

95.449,22

118.255,50

Die Kl. beantragen,

  1. im Hinblick auf die gegen das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 11.8.1999 (XI R 77/97) anhängige Verfassungsbeschwerde das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache anzuordnen,
  2. die ESt-Bescheide 1995 und 1996 in der Gestalt der EE vom 27.10.1999 dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuer 1995 um 95.449,22 DM und die Einkommensteuer 1996 um 118.255,50 DM niedriger festgesetzt wird.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf die EE vor, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß das BVerfG die beantragte Rechtsfolge ziehen würde, selbst wenn die ertragsteuerliche Gesamtbelastung verfassungswidrig zu hoch sei und der Halbteilungsgrundsatz auch auf die Ertragsteuern ausgedehnt würde. Eine Vorlage an das BVerfG komme selbst bei angenommener Rechtswidrigkeit nicht in Betracht, weil das BVerfG auch im Fall der für verfassungswidrig erkannten Vermögensteuer im Beschluß vom 22. Juni 1995 Rechtsfolgen nur für die Zukunft ab dem Veranlagungszeitraum 1997 gezogen habe.

Auf diesem Hintergrund könne es auch dahinstehen, ob die Gewerbesteuer in die Ermittlung der steuerlichen Gesamtbelastung einzubeziehen sei und in welcher Höhe sich die Entlastung der Familien durch die Entscheidung des BVerfG vom 10. November 1998 auf die Höhe der steuerlichen Gesamtbelastung in den Streitjahren auswirke.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die...

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