Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstausbildung bei Vollzeit-Erwerbstätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Annahme einer Erstausbildung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das Kind während des zweiten Ausbildungsabschnitts einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgeht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 62 Abs. 1 S. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers ab September 2016 zu Recht abgelehnt hat.
Die am 16.05.1995 geborene Tochter J. O. absolvierte nach dem Abitur von August 2013 bis Juli 2016 eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Nach dem Ausbildungsabschluss beschäftigte der Ausbildungsbetrieb die Tochter des Klägers – zunächst befristet – im Rahmen einer Vollzeittätigkeit weiter. Bereits während ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau bewarb J. O. sich am 13.04.2016 online um einen berufsbegleitenden Studienplatz bei der IHK. Am 13.07.2016 erfolgte die Zuteilung eines Studienplatzes. Seit dem 01.09.2016 absolviert sie ein berufsbegleitendes Studium Betriebswirtschaft mit dem Ziel „Betriebswirt (in) VWA-Bachelor of Arts” an der FH N-Stadt. Der 01.09.2016 war der frühestmögliche Immatrikulationszeitpunkt für diesen Studiengang.
Zulassungsvoraussetzung für das Studium ist eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten kaufmännischen Ausbildungsberuf, ein Beschäftigungsverhältnis in einem Unternehmen sowie die Hochschulzugangsberechtigung. Für den Fall, dass ein Interessent weder das Abitur, die fachgebundene Hochschulreife noch die Fachoberschulreife nachweist, kann er die Fachhochschulberechtigung auch durch eine abgeschlossene Ausbildung sowie eine anschließende dreijährige Berufspraxis erlangen. Wegen der Einzelheiten zu den Zulassungsvoraussetzungen und dem Studienverlauf wird auf den Ausdruck der Internetseite der IHK (www.ihk-bildung.de) Bezug genommen, der zur Gerichtsakte genommen wurde. Das von J. O. absolvierte Bachelor-Studium dauert in der Regel sieben Semester (3,5 Jahre). Die Lehrveranstaltungen finden regelmäßig freitags von 16 – 21 Uhr sowie samstags von 8.00 – 13.00 Uhr statt.
Gemäß dem Flyer der FH N-Stadt sollen die Absolventen dazu befähigt werden,
- betriebswirtschaftliches Know-how im Unternehmen anzuwenden,
- Betriebsabläufe über alle Funktionsbereiche hinweg, auch im internationalen Bereich, in ihrem Zusammenhang zu erkennen, zu beurteilen sowie kompetent Entscheidungen zu treffen,
- auf verschiedenen betriebswirtschaftlichen Gebieten Fach- und Führungsaufgaben auf gehobener Leitungsebene zu übernehmen.
Die Beklagte hob mit Kindergeldbescheid vom 31.05.2016 die Kindergeldfestsetzung für J. O. ab Juli 2016 mit der Begründung auf, J. O. werde ihre Ausbildung nach den Unterlagen der Familienkasse im Juni 2016 beenden. Mit Kindergeldbescheid vom 01.07.2016 setzte die Beklagte Kindergeld für Juli 2016 fest, weil J. O. sich im Juli noch in der Berufsausbildung befunden habe. Mit Schreiben vom 31.12.2017 (EJ. O.ng bei der Beklagten gemäß Aufdruck auf dem Telefax am 03.01.2018) beantragte der Kläger rückwirkend (erneut) Kindergeld für seine Tochter. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Kindergeldbescheid vom 15.01.2018 ab September 2016 mit der Begründung ab, J. O. habe eine erste Berufsausbildung abgeschlossen und befinde sich aktuell in einer weiteren Berufsausbildung. Den hiergegen am 08.02.2018 eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.05.2018 als unbegründet zurück. Sie führte aus, die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung eines Kindes lägen nicht vor. J. O. übe nach abgeschlossener Erstausbildung eine Erwerbstätigkeit mit einem Umfang von mehr als 20 Stunden wöchentlich aus. Laut der IHK sei die Berufstätigkeit Voraussetzung für die Zulassung zum Studiengang. Die Berufserfahrung sei daher zwingende Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung. Die berufspraktische Erfahrung von J. O. sei daher unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des weiteren Berufsabschlusses. Es handele sich somit um eine Zweitausbildung.
Mit der hiergegen am 18.06.2018 erhobenen Klage macht der Kläger weiterhin geltend, er habe einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld für seine Tochter J. O. ab September 2016. Er hält an seiner Auffassung fest, dass erst mit Beendigung des Studiums die Ausbildung beendet sei. Etwas anderes gelte nur dann, wenn das Kind nach Beendigung der Ausbildung seine Berufsausbildung mit dem weiterführenden Berufsziel Bachelor nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortsetze. Seine Tochter habe das berufsbegleitende Studium jedoch unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung zum 01.09.2016 aufgenommen, sodass eine den Kindergeldanspruch ausschließende zeitliche Zäsur nicht vorliege. Mangels Abschlusses einer erstmaligen Berufsausbildung komme es bei einem entsprechenden zeitlichen Zusammenhang auf den Umfang der Erwerbstätigkeit von J. O. nicht an.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter A...