Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine wirksame Klageerhebung ohne Unterschrift mit einem Hinweis auf "maschinelle Erstellung" der Klageschrift
Leitsatz (redaktionell)
Wird die Klageschrift mittels Computerfax und mit einer durch das Computersystem aufgedruckten Faxnummer des Prozessbevollmächtigten an das Finanzgericht gesandt und anstelle einer Unterschrift der Zusatz vermerkt, dass das Schreiben maschinell erstellt worden und ohne Unterschrift sei, so genügt dies nicht den Anforderungen an eine Schriftform, wie sie § 64 Abs. 1 FGO bei der Klageerhebung verlangt. Es fehlt an einer Angabe zum Verfasser des Schriftsatzes.
Normenkette
FGO § 64 Abs. 1
Gründe
Zu entscheiden ist, ob eine ohne Unterschrift eingereichte Klage wirksam erhoben wurde.
Der in E wohnende Kläger wird mit seiner Ehefrau gemäß §§ 26, 26 b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist seit 2001 als sog. Leiharbeitnehmer bei der Firma I (im Folgenden: Arbeitgeber) in C beschäftigt, die ihn laut Arbeitsvertrag als Kranfahrer/Produktionshelfer für Einsatzorte im Nah- und Fernbereich sowie im Ausland eingestellt hat.
Im Streitjahr 2007 war der Kläger an insgesamt 201 Tagen auf einer mit eigenem Pkw angefahrenen Baustelle in F, G Straße eingesetzt. Die verkehrsgünstigste Fahrstrecke zwischen der Wohnung und der Baustelle beträgt 70 Kilometer.
In der Einkommensteuererklärung für 2007 erklärten der Kläger und seine Ehefrau für Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten des Klägers Werbungskosten in Höhe von EUR 8.442,– (201 Tage × einfache Entfernung 70 km × 2 × EUR 0,30). Der Beklagte erkannte lediglich Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von EUR 3.860,– an.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten, eines Lohnsteuerhilfevereins, vom 9.12.2009, das am gleichen Tag per Fax beim Beklagten und am 16.12.2009 beim Finanzgericht (FG) einging, erhob der Kläger Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 17.11.2009. Das vom Faxgerät der Prozessbevollmächtigten versandte Schreiben ist nicht unterschrieben und trägt stattdessen ohne Angabe des Verfassers lediglich den Vermerk „Dieses Schreiben ist maschinell erstellt worden und somit nicht unterschrieben”.
Auf einen mit der Eingangsbestätigung am 18.12.2009 erteilten Hinweis des Berichterstatters auf die fehlende Unterschrift und § 64 Finanzgerichtsordnung (FGO) reagierte die Prozessbevollmächtigte nicht mehr.
Der Kläger vertritt unter Hinweis auf Urteile des FG Hamburg vom 21.11.2000 II 137/00, EFG 2001, 302 und des FG Düsseldorf vom 9.7.2009 16 K 572/09 E, EFG 2009, 1769 die Auffassung, seine mit Computer-Fax erhobene Klage sei ohne Unterschrift zulässig.
In der Sache begehrt er, die tatsächlich angefallenen Fahrtkosten wie erklärt zu berücksichtigen, da bei ihm als Leiharbeitnehmer unabhängig von der Dauer der Beschäftigung in F eine Einsatzwechseltätigkeit vorliege. Er habe unter Anwendung des erweiterten Direktionsrechts seines Arbeitgebers ständig damit rechnen müssen, an anderen Tätigkeitsstätten eingesetzt zu werden.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2007 vom 2.2.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17.11.2009 Aufwendungen für die Fahrten nach F in Höhe von EUR 8.442,– als Werbungskosten zu berücksichtigen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte meint, die Klage sei unzulässig. Dem Vorbringen hinsichtlich der Einsatzwechseltätigkeit und der Berücksichtigung der Fahrtkosten ist er nicht mehr entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten Bezug genommen.
Die Klage ist unzulässig.
Nach § 64 Abs. 1 FGO ist die Klage bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Zur Schriftform gehört die eigenhändige Unterschrift des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten. Sie soll gewährleisten, dass der Unterzeichner des Schriftsatzes bestimmbar ist und dass der Schriftsatz mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist und es sich nicht nur um einen Entwurf handelt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26.3.1991 VIII B 83/90, BStBl II 1991, 463).
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.11.1973 GrS 2/72, BStBl II 1974, 242 sind Verfahrensvorschriften jedoch im Zweifel so auszulegen, dass sie –wenn irgend vertretbar– eine Entscheidung der materiellen Rechtsfrage ermöglichen. Der BFH hat daher in mehreren Urteilen entschieden, dass dem Sinn und Zweck des § 64 Abs. 1 FGO auch in anderer Weise entsprochen werden kann, als durch eine eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftsatzes durch dessen Verfasser (BFH-Urteil vom 3.10.1986 III R 207/81, BStBl II 1987, 131). Es muss allerdings feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden is...