Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung des Vorsteuerabzugs; insolvenzrechtliche Anfechtung und folgende Einfuhrumsatzsteuerrückzahlung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 7/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs wurde zurecht vorgenommen, weil der Stpfl. die EUSt, die sie zuvor als Vorsteuer in Abzug gebracht hatte, erstattet worden ist. Der Begriff „erstattet” i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der tatsächliche Vorgang der Rückzahlung gemeint ist.
2. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG, wenn die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist. Hierdurch wird erreicht, dass der Unternehmer von der Belastung mit USt auf der Eingangsseite entlastet wird. Damit korrespondiert die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG, wonach der Vorsteuerabzug berichtigt wird, wenn die Einfuhrumsatzsteuer erstattet wird. Denn wenn die Belastung mit der Einfuhrumsatzsteuer entfällt, ist auch die Entlastung rückgängig zu machen.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO § 37 Abs. 2; UStG § 17 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die erfolgreiche Durchsetzung einer Anfechtung einer Einfuhrumsatzsteuerzahlung im Insolvenzverfahren zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs führt.
Die Klägerin ist die operativ tätige Holdinggesellschaft der Y-Gruppe. Mit Antrag vom 00. Januar 2019 stellte die Klägerin beim zuständigen Amtsgericht C einen Insolvenzantrag und beantragte Eigenverwaltung. Das Amtsgericht C bestellte am gleichen Tag Herrn Rechtsanwalt N aus M zum vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Klägerin berechtigt sei, unter der Aufsicht des vorläufigen Sachwalters ihr Vermögen weiter zu verwalten.
Für die Monate Januar und Februar 2019 setze das Hauptzollamt C entstandene Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Höhe von xxx EUR gegen die Klägerin fest. Die EUSt wurde von der Klägerin beglichen und für den Anmeldezeitraum Januar und Februar 2019 von ihr als Vorsteuer bei den Umsatzsteuervoranmeldungen in Abzug gebracht.
Am 00. April 2019 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren unter dem Aktenzeichen 00 IN 000/19 eröffnet. Das Insolvenzgericht ordnete Eigenverwaltung i.S.v. § 270 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an und bestellte wiederum Herrn Rechtsanwalt N zum Sachwalter. Der Sachwalter zog nicht die Kassenführung an sich.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde die Zahlung der EUSt nach § 129 ff. InsO angefochten und vom Hauptzollamt C im Oktober 2019 an die Insolvenzmasse zurückerstattet. Sodann wurde die Forderung vom Hauptzollamt zur Insolvenztabelle angemeldet und vom Sachwalter festgestellt. Im Jahr 2019 erfolgten nach der Insolvenzanfechtung keine – auch keine teilweisen – Zahlungen auf diese EUSt.
Der Beklagte kürzte mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 den Vorsteuerabzug für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2019 in Höhe der zurückerstatteten EUSt um xxx EUR. Der Bescheid erging unter dem 19. Dezember 2019 gegenüber der Klägerin. Ein weiterer, im Übrigen inhaltsgleicher Bescheid erging unter dem 19. Dezember 2019 zudem gegenüber dem Rechtsanwalt N in seiner Eigenschaft als Sachwalter der Insolvenzmasse der X AG n.I. Letztgenannter Bescheid ist vorliegend nicht streitgegenständlich.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 20. Januar 2020 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2020 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorzunehmen sei. Die Vergütung der Vorsteuer bezwecke die Entlastung von einer Belastung. Wenn die Belastung entfalle, sei auch die Entlastung rückgängig zu machen. Bezüglich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Am 12. November 2020 hat die Klägerin Klage zum Finanzgericht erhoben.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die insolvenzrechtliche Anfechtung mit entsprechender Rückzahlung der EUSt nicht nach § 17 Abs. 3 UStG zu einer Korrektur der Vorsteuer führe. Der in § 17 Abs. 3 Satz 1 UStG verwendete Begriff der „Erstattung” sei im Sinne von § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu verstehen und setze voraus, dass die Zahlung rechtsgrundlos erfolgt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Die vorgenommene insolvenzrechtliche Anfechtung führe nicht dazu, dass der Rechtsanspruch auf die Zahlung der EUSt entfallen sei. Lediglich die Durchsetzung der Forderung sei durch die Regeln der Insolvenzordnung beschränkt. Die erfolgreiche Anfechtung führe nach § 144 Abs. 1 InsO zum Wiederaufleben der Forderung. Die Forderung bleibe weiterhin bestehen und sei dementsprechend auch vom Hauptzollamt zur Insolvenztabelle angemeldet worden.
Seit einer Gesetzesänderung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG im Jahr 2013 setze ein Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht mehr die Entrichtung, sondern nur noch die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer voraus. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass auch...