Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Betriebsaufgabe eines insolventen Einzelunternehmens
Leitsatz (redaktionell)
Eine Betriebsaufgabe ohne ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung tritt schon ein, wenn der Betriebsinhaber sein nahezu wertloses Unternehmen auf neue Rechtsträger so umstrukturiert, dass der ursprüngliche Gewerbebetrieb nicht mehr fortgesetzt wird, ein nicht verkäufliches Betriebsgrundstück aber noch mehrere Jahre lang unter Zwangsverwaltung zurückbehält. Auf den Zeitpunkt der Veräußerung dieses Grundstücks kommt es nicht mehr an.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I.
Im Rahmen der gesonderten Feststellung des Gewinns für 1998 ist streitig, ob der Kläger (Kl.) schon in diesem Veranlagungszeitraum einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat.
Der Kl. war Inhaber der Einzelfirma L, die Sport- und Gymnastikgeräte herstellte. Der Gewinn aus dieser Einzelfirma wurde vom Beklagten (Bekl.) nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) gesondert festgestellt, da sich die Geschäftsleitung und Betriebsstätte auf dem Betriebsgrundstück in E, A-Straße 1 befand. Der Kl. war zudem alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Y 1 E Vertriebs-GmbH, die ihren Betrieb ebenfalls in dem vorgenannten Objekt ausgeübte. Mit notariellem Vertrag vom 01.11.1997 gründete der Kl. die Y 2 Vertriebs-GmbH und vermietete ihr ab dem 01.12.1997 das Betriebsgrundstück zunächst auf 6 Jahre. Wirtschaftlicher Hintergrund der Neugründung war die absehbare Zahlungsunfähigkeit der beiden existierenden Unternehmen nach angedrohter Kündigung der Kredite durch den Hauptgläubiger, die Stadtsparkasse E, die bereits im Dezember 1997 sämtliche Kredite fällig stellte.
Im Streitjahr 1998 meldete die Y 1 E Vertriebs-GmbH Konkurs an. Das Konkursverfahren wurde durch gerichtlichen Beschluss vom 13.11.1998 mangels Masse abgewiesen.
Am 23.01.1998 stellte die Stadtsparkasse E einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Kl. Trotz Masseunzulänglichkeit eröffnete das Amtsgericht E mit Beschluss vom 14.05.1998 das Konkursverfahren über das Vermögen des Kl., weil die Sparkasse E zuvor einen Vorschuss in Höhe von 80.000 DM für die voraussichtlichen Verfahrenskosten (§ 58 Konkursordnung – KO –) gezahlt hatte. Nach Feststellungen des Konkursverwalters wurden die Lieferanten ab März 1998 gebeten, an die im November 1997 neu gegründete Y 2 Vertriebs-GmbH zu liefern und zu berechnen. Auch die Personalkosten wurden ab Mai 1998 von der neugegründeten Y 2 Vertriebs-GmbH übernommen. Von den vormals 50 Mitarbeitern waren nur noch 8 beim Einzelunternehmen beschäftigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Konkursverwalters N vom 24.07.1998 im Konkursverfahren des Amtsgerichtes E, Az. 1 bzw. 2, dessen Akten beigezogen wurden, verwiesen. Außerdem wurden in 1998 sämtliche sicherungsübereigneten beweglichen und unbeweglichen Inventargegenstände von der Sicherungsgläubigerin, der Stadtsparkasse E, der neugegründeten Y 2 Vertriebs-GmbH übergeben, die seit dem faktisch den Betrieb der in Konkurs geratenen beiden Firmen fortführte.
Wegen der schwierigen Situation am Markt für Gewerbeimmobilien im Raume E ließ sich das bebaute Betriebsgrundstück A-Straße 1, E zunächst nicht veräußern. Auf Betreiben der Hauptgläubigerin des Gemeinschuldners, der Stadtsparkasse E, wurde noch in 1998 die Zwangsverwaltung bezüglich dieses Grundstückes angeordnet. Auch die weiteren Verwertungsbemühungen der Sparkasse E bezüglich dieses Grundstückes gestalteten sich schwierig (vgl. Stellungnahmen des Konkursverwalters vom 11.03., 19.08.1999 und 18.02., 12.09.2000, Bl. 270, 277, 295, 312, 329 Konkursakte). Einen Antrag auf Zwangsversteigerung des Grundstücks (AG E, Az.: 3) nahm die Stadtsparkasse E in 2001 zurück. Im gleichen Jahr gab der Konkursverwalter dieses Grundstück aus dem Massebeschlag frei, weil auf Grund der dinglichen Belastungen nicht mit einem Überschuss zu Gunsten der Masse bei der Verwertung zu rechnen war.
Das Konkursverfahren wurde in 2003 ohne Quote beendet. Die Sparkasse E erhielt am 29.07.2004 eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Konkurstabelle in Höhe von 30.209.271,86 DM (15.445.755,44 EUR) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den Kl.
Das bebaute Betriebsgrundstück A-Straße 1 wurde im Jahre 2006 an die Firma H GmbH für 900.000 EUR verkauft.
Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns für 1998 vom 10.03.2005 stellte der Bekl. einen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG in Höhe von – zunächst – 3.409.889 DM für die vormalige Einzelfirma des Kl. fest.
Auf Grund des dagegen am 22.03.2005 vom Kl. eingelegten Einspruches, wies der Bekl. darauf hin, dass der Veräußerungsgewinn wegen gescheiterten Vergleiches mit der Stadtsparkasse E noch zu erhöhen sei. Auf diesen am 24.07.2002 zwischen dem Kl. und der Stadtsparkasse E geschlossenen Vergleich leistete der Kl. nur bis Oktober 2003 Raten. Daraufhin kündigte die Stadtsparkasse E den Vergleich auf.
In der Einspruchsentschei...