Entscheidungsstichwort (Thema)

Neue Tatsache bei nur rechnerisch geführter Kasse

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Stellt das FA im Rahmen einer Außenprüfung fest, dass ein Imbissbetrieb die Kasse nur rechnerisch geführt hat, die Buchführung somit formell ordnungswidrig ist und nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen ist, können die im Wege der Schätzung hinzugeschätzten Umsätze und Gewinne in Änderungsbescheiden gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berücksichtigt werden.

2) Bereits der tatsächliche Zustand der Kasse ist als neue Tatsache anzusehen.

 

Normenkette

AO §§ 158, 162, 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Möglichkeit zur Änderung der angegriffenen Bescheide, insbesondere aufgrund des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2004 bis 2006 einen Imbiss. Sie ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG. Dabei benutzte eine Registrierkasse. Weder Kassenuraufzeichnungen noch Journal- oder PLU Rollen sind vorlegbar. Es liegen Z-Abschläge vor, die allerdings nicht fortlaufend nummeriert worden sind. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht des gerichtseigenen Prüfers vom 11.4.2011 (Bl. 130ff. d. GA) verwiesen.

Die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 wurde durch Bescheid vom 3.3.2006 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Dieser wurde durch Bescheid vom 14.3.2006 aufgehoben. Mit Bescheid vom 15.3.2007 wurde die Einkommensteuer für 2005 festgesetzt, jedoch ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ist die Einkommensteuerfestsetzung für 2006 mit Bescheid vom 8.10.2007 erfolgt. Das gleiche erfolgte hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrages für 2006.

Durch Prüfungsanordnung vom 13.11.2007 wurde eine steuerliche Außenprüfung für die Streitjahre angeordnet. Der Bericht der Betriebsprüfung datiert vom 21.12.2007. Der Betriebsprüfer sprach der Buchführung der Klägerin die formelle wie sachliche Richtigkeit ab, da

  • die Kassenuraufzeichnungen (Journalrollen, PLU-Rollen) nicht vorgelegt werden konnten
  • die Nummerierung der Z-Abschläge nicht immer fortlaufend ausgewiesen wurde
  • ungeklärte Einlagen vorlagen
  • die gebuchte Kasse und das Kassenbuch voneinander abwichen

Die Aufschlagkalkulation, die der Prüfer für das Streitjahr 2005 durchführte, ergab eine Kalkulationsdifferenz von 38.755 Euro. Der Prüfer schätzte darauf hin für alle Streitjahre einen Gewinn in Höhe von 38.000 Euro netto zu und änderte die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 und 2005 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die Einkommensteuerfestsetzung 2006 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Weiter wurden die Umsatzsteuerfestsetzungen 2004 bis 2006 nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Die Gewerbesteuermessbetrag für 2004 und 2005 wurden nach § 35b Abs. 1 GewStG und der Gewerbesteuersteuermessbetrag für 2006 nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Die Änderungsbescheide datieren, soweit sie die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzung betreffen, vom 11.1.2008, die geänderten Gewerbesteuermessbescheide vom 18.2.2008.

Die Klägerin hat am 5.2.2008 gegen die geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzungen und am 4.3.2008 gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide Einspruch eingelegt.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde am 28.10.2008 ein Gespräch an Amtsstelle geführt. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Der Beklagte hatte vorgeschlagen, jährlich eine Hinzuschätzung von nur 25.000 Euro vorzunehmen und diese später telefonisch sogar auf 20.000 Euro reduziert.

Die Klägerin reichte eine Gegenkalkulation ein, bei der sie von einem Rohgewinnaufschlag von 120% bei Getränken und 220% bei Speisen ausging, obwohl die Einzelermittlungen der Klägerin einen Rohgewinnaufschlag von 233,6% ergaben.

Durch Einspruchsentscheidung vom 22.1.2009 wurden die Kosten der künftigen Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Kalenderjahr 2004 in Höhe von 646,03 Euro berücksichtigt, wie auch vom damaligen Verfahrensbevollmächtigten in der Besprechung am 28.10.2008 akzeptiert. Außerdem wurde die Kalkulationsdifferenz für 2005 unter Berücksichtigung eines Verderbs von 3% sowie geänderten Rohgewinnaufschlägen auf nunmehr 34.000 Euro reduziert. Im Übrigen sind die Einsprüche in dieser Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen worden.

Die Klägerin hat am 24.2.2009 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass es für die Korrektur der Einkommensteuerfestsetzungen 2004 und 2005 an dem notwendigen Vorliegen einer neuen Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO fehlt. Eine solche Tatsache stelle bei Beachtung der BFH-Rechtsprechung gerade die Hinzuschätzung nicht dar. Diese sei auch nicht in dem fehlenden Vorliegen von Kassenaufzeichnungen zu sehen. Soweit diese überhaupt als Tatsachen zu werten seien, seien sie nicht kausal für die durch den Beklagten vorgenommenen Korrekturen. Der Anlass der Schätzung ergebe sich gerade aufgrund der Nachkalkulation und nicht durch die fehlenden Uraufzeichnungen.

Letztlich seien die Buchführungsmängel allein als Hilfstatsachen anzusehen, die aber nicht zu einer höheren Steuer füh...

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