Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer steuerbgünstigten Entschädigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Auskunftsersuchen zur Ermittlung eines bisher nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalts ist auch dann zulässig, wenn die entsprechende Veranlagung bereits bestandskräftig ist.
2. Die Finanzbehörde ist nicht nach Treu und Glauben wegen Verletzung der Ermittlungspflicht an der Änderung der Steuerfestsetzung gehindert, wenn die Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung eindeutig und widerspruchsfrei waren und ein Steuerberater an der Erstellung der Erklärung mitgewirkt hat.
3. a) Voraussetzung für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 2 EStG für eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 a) EStG ist, dass der Steuerpflichtige bei Aufgabe seiner Rechte unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gestanden hat. Übt der Steuerpflichtige ein Wahlrecht aus, sind die folgenden Zahlungen nur begünstigt, wenn er auch bei Ausübung des Wahlrechts unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gestanden hat.
3. b) Kapitalisierte Ruhegehälter oder andere kapitalisierte Versorgungsleistungen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG unabhängig vom Vorliegen einer Zwangslage auf Seiten des Steuerpflichtigen, wenn die Kapitalisierung aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen (in der Person des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers) erfolgt.
Normenkette
AO 1977 § 93 Abs. 1 S. 1, § 173; EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 3, 2 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) berechtigt war, nach einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung Auskünfte einzuholen, die dazu dienen sollten, die Rechtmäßigkeit der Besteuerung zu überprüfen, ob die auf diese Weise erlangten Auskünfte Tatsachen darstellen, die zu einer Änderung der Steuerfestsetzung wegen neuer Tatsachen (§ 173 Abs. 1 AO) berechtigten und ob ein in der Lohnsteuerkarte angegebener Betrag von 527.224 DM als Entschädigung dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen ist (§ 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 i. V. mit § 24 Nr. 1 a EStG).
Die Kläger (Kl.) sind unbeschränkt steuerpflichtig und werden gemeinsam zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kl. erzielte im Streitjahr u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In der Steuererklärung für das Streitjahr (1994) gab er den Bruttoarbeitslohn mit 121.398 DM an. Darüber hinaus wurde als weiterer Arbeitslohn in der Zeile „Entschädigungen, die ermäßigt zu besteuern sind” ein Betrag von 527.224 DM eingetragen. Diese Angaben stimmen mit der zugleich eingereichten Lohnsteuerkarte überein. Weitere Erläuterungen zu diesen Einkünften wurden nicht abgegeben. Die Steuererklärung war durch eine Steuerberatungsgesellschaft vorbereitet worden.
Der Bekl. folgte den Angaben des Kl. und setzte dementsprechend mit Steuerbescheid vom 25.04.1996 die Einkommensteuer endgültig fest.
Mit Verfügung vom 13.01.1997 wies das Rechnungsprüfungsamt der Oberfinanzdirektion … den Bekl. an, u. a. die Rechtmäßigkeit der Besteuerung des Kl. zu prüfen. Gegenstand der Prüfung sollte die bisher ermäßigte Besteuerung der o. g. 527.224 DM sein. Vorbereitend dazu sollten die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen angefordert werden, sofern sie sich nicht in den Steuerakten befänden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 13.01.1997 verwiesen. Der Bekl. forderte nunmehr mit Schreiben vom 04.02.1997 die aus der Steuererklärung des Kl. ersichtliche Steuerberatungsgesellschaft auf, diverse Unterlagen einzureichen. Dazu gehörten u. a. der Aufhebungsvertrag, ein Kündigungsschreiben oder entsprechende Unterlagen, der Schriftverkehr im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Unterlagen zur Berechnung der Höhe der Abfindung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bekl. vom 04.02.1997 verwiesen.
Aus den nunmehr eingereichten Unterlagen ergibt sich u. a., daß der Kl. mit seinem Arbeitgeber am 26.01.1994 mit Wirkung zum 31.08.1994 einen Aufhebungsvertrag hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses geschlossen hatte. Danach sollte der Kl. eine (steuerfrei belassene) Einmalzahlung in Höhe von 30.000 DM im September 1994 erhalten und eine weitere Sonderzahlung in Höhe von brutto 83.274 DM. Ferner wurde eine Vereinbarung zur vorzeitigen Pensionierung geschlossen. Danach verpflichtete sich der Arbeitgeber des Kl. u. a. vom September 1994 bis zum August 1999 ein Übergangsgeld von monatlich 4.147 DM zu zahlen. Ab September 1999 bis August 2004 betrug dieses Übergangsgeld monatlich 2.304 DM. Hinzu kam die Zahlung einer Betriebsrente von monatlich 1.376 DM ab November 1995. Diese Betriebsrente lief auch für die Monate ab September 2004 weiter. Der Kl. hatte zu diesem Zeitpunkt das 53. Lebensjahr vollendet und war mehr als 33 Jahre bei seinem Arbeitgeber tätig. Diese Ruhestandsvereinbarung entspricht den Sonderregelungen des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat über eine „vorzeitige Beendigung...