Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines Einspruchsbescheids mangels rechtlichen Gehörs zur Verfristung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Ablehnung der Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung im Einspruchsverfahren wegen verfristeter Einspruchseinlegung ist schon aus formalen Gründen durch das FG aufzuheben, wenn dem Einspruchsführer kein rechtliches Gehör zur Frage der verspäteter Einlegung des Einspruchs gewährt worden ist.

 

Normenkette

AO § 110; GG Art. 103 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Einspruchsentscheidung.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 23.09.2013 die Festsetzung des Kindergelds für die Tochter des Klägers, H, ab August 2011 auf und forderte vom Kläger Kindergeld in Höhe von 736 Euro für die Monate August, September, Oktober und November 2011 zurück. H habe die Schulausbildung beendet, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld habe.

Mit weiterem Bescheid vom 23.09.2013 hob die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für H ab Oktober 2012 auf, weil H inzwischen verheiratet sei. Für August 2012 bis September 2012 erfolge eine Nachzahlung des Kindergelds.

Der Kläger legte, vertreten vom Prozessbevollmächtigten, gegen beide Bescheide Einspruch ein. Die Beklagte verwarf den Einspruch betreffend Kindergeld ab Oktober 2012 mit Einspruchsentscheidung vom 30.10.2013 als unzulässig. Der Einspruch sei am 29.10.2013 eingegangen. Er sei daher nicht innerhalb der Einspruchsfrist eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren.

Eine Einspruchsentscheidung betreffend Kindergeld ab August 2011 liegt bislang noch nicht vor.

Mit der Klage trägt der Kläger vor, er sei nicht auf die mögliche Fristversäumnis hingewiesen worden. Die unterlassene Anhörung stelle einen Verfahrensmangel dar. Er beruft sich auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.11.1982 (2 BvR 1008/82, BVerfGE 62, 320) und vom 22.06.1982 (1 BvR 56/82, BVerfGE 61, 14) sowie den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31.07.1962 (VII 176/61 U, BStBl III 1962, 405).

Er trägt weiter vor, dass er die Einspruchsschreiben persönlich am Nachmittag des 26.10.2013 (Samstag) in den Briefkasten A-Straße 1 in U zusammen mit einem Einspruchsschreiben an die Arbeitsagentur L eingeworfen habe. Laut Angaben auf dem Briefkasten habe dessen Leerung am Sonntag um 8.00 Uhr erfolgen sollen. Er habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass bei normalem Postlauf die Briefe am Montag ihre Empfänger erreichen würden. Der Einspruch, der an die Arbeitsagentur L gerichtet gewesen sei, sei auch tatsächlich am 28.10.2013 (Montag) dort eingegangen.

Der Kläger beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 30.10.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf den Schriftsatz vom 02.01.2014 wird verwiesen.

Der Senat hat am 09.01.2013 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Entscheidung der Beklagten über den Einspruch des Klägers verstößt gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und stellt damit einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. BFH-Urteil vom 31.07.1962 VII 176/61 U, BStBl III 1962, 405; BVerfG-Urteile vom 22.06.1982 1 BvR 56/82, BVerfGE 61, 14 und vom 23.11.1982 2 BvR 1008/82, BVerfGE 62, 320), der zur isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung führt.

Ist ein Rechtsbehelf, hier der Einspruch, nach Auffassung der Beklagten verspätet eingegangen, ist der Einspruchsführer unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs auf den nach ihrer Ansicht verspäteten Eingang des Einspruchsschreibens hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Zum einen kann dem Beklagten bei der Fristberechnung ein Fehler unterlaufen sein, so dass gar kein Fall der Verspätung vorliegt. Zum anderen muss aber dem Einspruchsführer die Möglichkeit gegeben werden, einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen und die Tatsachen, die den Antrag begründen, glaubhaft zu machen. Unterbleibt dies, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, da die Möglichkeit bestanden hat, dass die Einspruchsentscheidung anders ausgefallen wäre (§ 127 Abgabenordnung).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 6542407

EFG 2014, 624

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