Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine einheitliche und gesonderte Feststellung bei einer Kapitalgemeinschaft bestehend aus Eheleuten und ihren Eltern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 180 Abs. 3 AO soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, dass gesonderte Feststellungen vorgenommen werden, für die in der Praxis kein Bedürfnis besteht.

2. Das Merkmal der geringen Bedeutung in § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 AO ist ein auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff.

3. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung ist wegen geringer Bedeutung nicht durchzuführen, wenn Eheleute mit ihren Eltern ein gemeinsames Bankkonto unterhalten und hieraus Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen, wobei der Anteil jedes einzelnen Beteiligten 25% beträgt, für alle Beteiligten dasselbe Wohnsitz-FA zuständig und identisch mit dem Feststellungs-FA ist. Dies gilt umso mehr, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht besteht, weil die Festsetzungsfristen für alle Beteiligten auf der Ebene der Folgebescheide parallel laufen.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 S. 1; EStG § 20

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein Fall von geringer Bedeutung i. S. d. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vorlag und der Beklagte demzufolge keine Feststellungsbescheide erlassen durfte.

Die Kläger unterhielten mit ihren Eltern, den Eheleuten I E und G E, ein gemeinsames Konto beim Bankhaus D. Im Außenverhältnis führten Herr G E, Frau I E und der Kläger zu 1. das Konto. Im Innenverhältnis waren Herr G E, Frau I E, der Kläger zu 1. und der – nicht nach außen auftretende – Kläger zu 2. an dem Konto zu gleichen Teilen beteiligt (jeweils zu 25 %). Hieraus erzielten sie Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) i. H. v. insgesamt xxx € (2002) und xxx € (2003). Auf die einzelnen Beteiligten entfielen xxx € (2002) und xxx € (2003).

Die jeweiligen Einkommensteuerklärungen für 2002 und 2003 gaben die Eheleute I E und G E sowie die Kläger nach eigenen Angaben im auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum folgenden Jahr ab (in 2003 für 2002, in 2004 für 2003). Einkünfte aus dem gemeinsamen Konto beim Bankhaus D erklärten sie in ihren Einkommensteuererklärungen nicht. Sie gaben auch keine Feststellungserklärungen ab.

Im Juli 2010 verstarb Frau I E. Erben waren Herr G E und die Kläger. Im Mai 2012 verstarb Herr G E. Erben waren die Kläger.

Mit Schreiben vom 8.11.2015, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass die Kapitalerträge aus dem gemeinsamen Konto beim Bankhaus D bisher nicht erklärt worden seien. Die Kläger gingen von einem Vermögensbestand im Jahr 2004 i. H. v. ca. xxx € aus. Hieraus ergäben sich bei Zugrundelegung von Erträgen bzw. Veräußerungsgewinnen von durchschnittlich jeweils 5 % pro Jahr die entsprechenden steuerlichen Einkünfte. Bei diesen 5 % handle es sich um eine freie Schätzung. Etwaige Werbungskosten (Depotgebühren, Provisionen etc.) und etwaig anrechenbare Steuern seien nicht berücksichtigt. Zu diesen Einkünften hätten sie rein vorsorglich folgende Sicherheitszuschläge vorgenommen. Hierzu führten sie aus:

  • Der bekannte Vermögensbestand (ca. xxx €) werde sicherheitshalber mit einem Aufschlag i. H. v. 75 % auf xxx € geschätzt.
  • Die Erträge würden i. H. v. jeweils 7,5 % des erhöhten Vermögensbestands unterstellt.
  • Vorsorglich würde unterstellt, dass die Einkünfte nach § 20 EStG und § 23 EStG aus mehreren Anlagezeiträumen in einem Veranlagungszeitraum zusammengeballt zugeflossen sein könnten.

Alleiniger Hintergrund dieser Sicherheitszuschläge sei es, dem strafrechtlichen Vollständigkeitsgebot zu genügen. Für die Streitjahre gaben die Kläger die folgenden Werte an:

[…]

Die Kläger beantragten, gemäß § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO keine Feststellungsbescheide zu erlassen. Die Mitglieder der Kapitalgemeinschaft würden bei demselben Finanzamt und sogar in demselben Veranlagungsbezirk geführt. Außerdem sei die Kapitalgemeinschaft zwischenzeitlich – in 2010 – aufgelöst worden. Schließlich sei die Höhe der Einkünfte einfach zu ermitteln und auch die Zurechnung/Verteilung sei nicht streitig. Im Übrigen gingen sie von einer steuerlichen Festsetzungsverjährung für die Zeiträume vor 2004 aus.

Im August 2016 vereinbarten die Kläger und der Beklagte im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erlass von Steuerbescheiden für die Jahre 2004 und 2005, dass ergänzende Bank- und Steuerunterlagen durch die Kläger eingereicht werden (Bl. 85 f. der elektronischen Gerichtsakte). Daraufhin übersandten die Kläger im September 2016 verschiedene Unterlagen zur Konkretisierung der Nacherklärung aus dem November 2015 in Bezug auf die Jahre ab 2004.

Im Oktober 2016 erließ der Beklagte geänderte Einkommensteuerbescheide für 2004 für die Kläger und die Eheleute I E und G E.

Der Beklagte erließ unter dem 03.11.2016 Bescheide für 2002 und 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Inhaltsadressaten waren die...

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