Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinnahmte Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notdienst sind nicht als i.Z.m. Heilbehandlungen stehend steuerbefreit. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 24/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Stpfl. erbringt mit der Übernahme des ärztlichen Notdienstes gegenüber den vertretenen Ärzten eine sonstige Leistung gegen Entgelt, die auf die Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem zugeteilten Notfalldienst gerichtet ist.
2. Dagegen, dass die von den vertretenen Ärzten erhaltenen Zahlungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen stehen, spricht weitergehend auch, dass die geleisteten Zahlungen nicht in einen Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten gestellt sind. Vielmehr wird die Vergütung stundenweise und damit unabhängig davon gewährt, ob im übernommenen Dienst tatsächlich Heilbehandlungsleistungen erbracht wurden oder sonstige Tätigkeiten wie sie der Stpfl. beschreibt erforderlich wurden.
3. Allein das Vorhalten medizinischer (Personal-)Ressourcen im Sitz- oder Fahrdienst dient noch keinem therapeutischen Zweck. Es handelt sich vielmehr nur um die Schaffung der Voraussetzungen für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen, ohne selbst eine Heilbehandlungsleistung zu sein.
4. Die Umsätze des Stpfl. i.Z.m. der Entnahme von Blut für die Polizeibehörden ist nicht als steuerfreie Heilbehandlungsleistung zu qualifizieren. Die Blutentnahmen wurden auf polizeiliche Anforderung durchgeführt und erfolgten, um den Blutalkoholwert zu bestimmen oder die Einnahme von Drogen festzustellen. Diese Feststellungen dienten nicht vorrangig dem Schutz des Gesundheitszustandes des Betroffenen, sondern der Beweiserhebung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 102; MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c; UStG § 4 Nr. 14 Buchst. a
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit Leistungen des Klägers als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen anzusehen sind.
Der Kläger ist selbständiger Arzt in der Allgemeinmedizin. Unter dem 1.5.2011 schloss der Kläger mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (im Folgenden: KVWL) eine Vereinbarung über die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst in Westfalen-Lippe. In dieser heißt es unter anderem wie folgt:
„§ 1
Präambel
In der Gemeinsamen Notfalldienstordnung (GNO) zwischen Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄVWL) und Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sind die zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichteten Personen, die Organisationsstruktur des Notfalldienstes sowie die Notfalldienstzeiten mit Wirkung zum 01. Februar 2011 verbindlich neu festgelegt worden.
Neben den nach der GNO (§ 2 Abs. 7) zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichteten Personen können weitere Ärzte (im Folgenden: Arzt) an der Notfallversorgung freiwillig teilnehmen. Ebenso können zum Notfalldienst verpflichtete, angestellte Ärzte zusätzliche Dienste über die hinaus übernehmen, zu denen sie eingeteilt sind. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass sie die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllen und die erforderlichen Erklärungen abgegeben haben.
[…]
§ 3
Versicherungsschutz
1. Der Arzt hat eine Unfall- sowie eine Berufshaftpflichtversicherung in ausreichender Höhe auf eigene Kosten abzuschließen.
2. Eine Haftung der KVWL für Fehler des Arztes in Zusammenhang mit dem Notfalldienst ist ausgeschlossen.
§ 4
Diensteinteilung
1. Der Arzt kann als Vertretung eines zum Notfalldienst eingeteilten Vertrags- oder Privatarztes am Notfalldienst in teilnehmen, ausnahmsweise aber auch unmittelbar bei der Diensteinteilung berücksichtigt werden. Eine unmittelbare Einteilung zum Notfalldienst dienstverpflichteter Ärzte nach dieser Vereinbarung ist ausgeschlossen.
2. Der Arzt hat anzugeben, in welchen Notfalldienstbezirken er Notfalldienste übernehmen und ob er am Sitz- und/ oder am Fahrdienst teilnehmen will. Ist ein fachärztlicher Notfalldienst eingerichtet, muss er erklären, ob er nur an dem fachärztlichen oder auch an dem allgemeinärztlichen Notfalldienst teilnehmen will.
3. Die Diensteinteilung ist für den Arzt verbindlich. Er ist verpflichtet, auf die genaue Einhaltung der Dienstzeiten zu achten, pünktlich den Dienst anzutreten und bis zum verbindlichen Dienstende wahrzunehmen. Ist der Arzt verhindert, hat er für Ersatz zu sorgen.
4. Einen Anspruch auf Einteilung zum Notfalldienst hat der Arzt nicht.
[…]
§ 6
Abrechnung und Kostenbeteiligung
1. Der Arzt rechnet die von ihm im Notfalldienst erbrachten Leistungen über die ihm von der KVWL hierfür mitgeteilte Abrechnungsnummer (LANR/BSNR) ab. Er ist verpflichtet, im Notfalldienst die Praxisgebühr zu erheben. Diese Einnahmen werden auf sein Honorar angerechnet. Für die Versteuerung des im Notfalldienst erwirtschaftete Honorar [richtig wohl: erwirtschafteten Honorars] ist der Arzt verantwortlich.
2. Zur Finanzieru...