Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (redaktionell)
1) Prozessuale und außerprozessuale Rechtsbehelfe sind grundsätzlich dahingehend auszulegen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen.
2) Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO sind nur Rechtsirrtümer über die Einspruchsfrist oder die Form der Fristwahrung anzuerkennen. Der Irrtum über eine materielle Rechtsfrage ist kein solcher Irrtum.
Normenkette
AO §§ 347, 355 Abs. 1; BGB §§ 133, 157; AO § 110 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit eines Einspruchs sowie die Höhe der bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten zu berücksichtigenden Verpflegungsmehraufwendungen und Umzugskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren vortragsfähigen Verlustes zur Einkommensteuer auf den 31.12.2005.
Die Klägerin ist promovierte Dipl.-Biologin und wohnte durchgängig im Streitjahr 2005 zusammen mit ihrem Lebensgefährten mit Erstwohnsitz in N-Stadt. Sie war bis Ende Februar 2005 beim Forschungszentrum K-Stadt im Rahmen eines
Promotionsdienstverhältnisses beschäftigt. Im Zeitraum vom 01.03. bis 30.06.2005 fertigte sie in N-Stadt den schriftlichen Teil ihrer Promotionsarbeit an. Ab 01.07.2005 arbeitete die Klägerin nach bestandener Promotion erneut beim Forschungszentrum K-Stadt. Während der Tätigkeiten in K-Stadt mietete die Klägerin jeweils eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort bzw. in der dortigen Nähe an.
In ihrer im Februar 2006 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 erklärte die Klägerin Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit von EUR xxxxx. Bei den Werbungskosten machte sie u.a. Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung für die Beschäftigungszeiträume in K-Stadt in Höhe von insgesamt EUR 6.757,74 geltend. Die erklärten Verpflegungsmehraufwendungen für den Zeitraum vom 01.01. bis 28.02.2005 betrugen EUR 1.200 und für den Zeitraum 15.07. bis 14.10.2005 EUR 1.584 (insgesamt EUR 2.784). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einkommensteuererklärung 2005 sowie die dort beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2005 mit Bescheid vom 23.03.2006 auf EUR Null fest. Er erkannte die doppelte Haushaltsführung dem Grunde nach an und berücksichtigte Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt EUR 11.203. Die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen reduzierte der Beklagte auf EUR 1.620. Zur Begründung führte er in den Erläuterungen zum Bescheid an, die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen seien um die Tage der Familienheimfahrten zu kürzen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte für das Jahr 2005 betrug EUR yyyyy. In Abzug brachte der Beklagte einen zum 31.12.2004 festgestellten Verlustvortrag (§ 10 d Einkommensteuergesetz – EStG –) in Höhe von EUR zzzzz. Das zu versteuernde Einkommen für 2005 betrug EUR xxxx.
Ferner erließ der Beklagte am 23.03.2006 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2005 und stellte diesen mit EUR Null fest.
Die Kürzung der Verpflegungsmehraufwendungen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beanstandete die Klägerin innerhalb der Rechtsbehelfsfrist nicht.
Vor dem Hintergrund der für die Klägerin positiven Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anerkennung von Aufwendungen für ein Erststudium als vorweggenommene Werbungskosten reichte die Klägerin am 25.09.2006 Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2001 ein. Ziel hierbei war es, durch die Berücksichtigung der Berufsausbildungs-/Studiums-Kosten die vortragsfähigen Verluste zu erhöhen.
Am 04.10.2006 – d.h. mehr als sechs Monate nach Bescheiderlass – erhob die Klägerin zunächst gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 23.03.2006 Einspruch. Sie begehrte die erklärungsgemäße Berücksichtigung der Verpflegungsmehraufwendungen. Zur Begründung führte sie an: Auch an denjenigen Tagen, an denen die Familienheimfahrten durchgeführt worden seien bzw. sie wieder zur Zweitwohnung zurückgekehrt sei, sei es zu einer zeitlich bestimmten Abwesenheit von der Erstwohnung in N-Stadt gekommen. Sie, die Klägerin, habe zunächst aufgrund mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses von einem Einspruch abgesehen. In Hinblick auf die nunmehr abgegebenen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2001 erwarte sie aber einen höheren Verlustvortrag zum 31.12.2005, so dass erstmalig eine Beschwer eingetreten sei. Die Versäumnis der Einspruchsfrist sei entschuldbar, da sie es aufgrund vertretbarer rechtlicher Erwägungen unterlassen habe, ihr Recht innerhalb der Frist geltend zu machen. Die durch das BFH-Urteil vom 20.07.2006 (Aktenzeichen VI R 26/05) eingeräumte Möglichkeit, auch A...