Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Änderungsmöglichkeit gemäß § 129 AO bzgl. einer erklärungsgemäßen, aber unzutreffenden gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos i.S.v. § 27 Abs. 2 KStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 7/24)
Leitsatz (redaktionell)
Eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 129 AO ist ausgeschlossen, wenn die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass der Bearbeiter der Finanzverwaltung einem Denk- oder Überlegungsfehler unterlegen ist, der sich auf den bisherigen Verfahrensablauf und dabei auf den Umstand bezieht, dass der vorherige Bearbeiter eine aus den Akten ersichtliche noch offene Frage bereits abschließend geprüft hat (hier: möglicher und nicht nur fernliegender Geschehensablauf dahingehend, dass nach einer in der Bilanzakte in ausgedruckter Form abgehefteten Hinweismitteilung bzgl. des Zugangs zur Kapitalrücklage und der Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto der Sachbearbeiter dem Denk- oder Überlegungsfehler unterlag, dass diese Frage anhand angeforderter und eingegangener Unterlagen bereits abschließend geprüft worden und daher nichts weiter zu veranlassen sei).
Normenkette
KStG § 27 Abs. 2; HGB § 272 Abs. 2; AO § 129 S. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der gegenüber der Klägerin ergangene bestandskräftige Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31.12.2015 nach § 129 der Abgabenordnung (AO) zu berichtigen ist.
Die Klägerin … [zwecks Neutralisierung wurde ein Halbsatz entfernt] ist eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von EUR …. Im Streitjahr hielten die C, die D und die E jeweils EUR … der insgesamt … Aktien. Gegenstand des Unternehmens ist die … [zwecks Neutralisierung entfernt].
Am 25.02.2017 wurde die Körperschaftsteuererklärung für 2015 dem Beklagten (dem Finanzamt –FA–) elektronisch übermittelt. Darin erklärte die Klägerin einen Steuerbilanzgewinn in Höhe von EUR …. In der beigefügten, ebenfalls in elektronischer Form übermittelten Anlage KSt 1 F (Erklärung zur gesonderten Feststellung u.a. des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG auf den 31.12.2015) gab die Klägerin den festzustellenden Betrag des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2015 sowie den Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und den Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres jeweils mit EUR 0,- an. Ein Jahresabschluss auf den 31.12.2015 war der Steuererklärung nicht beigefügt.
Das FA führte die Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für 2015 antragsgemäß durch und erließ unter dem 06.07.2017 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheid für 2015 sowie einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2015 nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG (im Folgenden: Feststellungsbescheid). Das steuerliche Einlagekonto auf den 31.12.2015 wurde darin mit EUR 0,- festgestellt.
Im Zuge dieser Erstveranlagung hatte die zuständige Sachbearbeiterin des FA, die Zeugin F, die Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2017 u.a. zur Übermittlung der bislang fehlenden E-Bilanzen für die Jahre 2014 und 2015 aufgefordert (s. Körperschaftsteuerakte, Trennstreifen „2015”). Die E-Bilanzen wurden dem FA in der Folgezeit von der Klägerin elektronisch übermittelt. Auf dem vorgenannten Schreiben vom 26.05.2017 sind hinter den dort aufgeführten und angeforderten Unterlagen handschriftlich Haken und Vermerke notiert worden. Hinter den dort aufgeführten E-Bilanzen für 2014 und 2015 ist handschriftlich der Vermerk „übermittelt” notiert worden. Ein Ausdruck der E-Bilanz für das Jahr 2015 befindet sich in den im vorliegenden Klageverfahren vom FA vorgelegten Steuerakten (s. Hefter „Einspruch 2015”). Der Ausdruck der E-Bilanz wurde erst während des vorliegenden Klageverfahrens erstellt (s. das dort aufgedruckte Datum des 6.7.2021, s. hierzu des Weiteren den Schriftsatz des FA vom 16.10.2023). Aus der E-Bilanz für 2015 ergibt sich, dass die Klägerin hinsichtlich eines Betrags von EUR 150.000,- [zwecks Neutralisierung wurde der Betrag im gesamten Urteil geändert] eine Kapitalrücklage gebildet hat (vgl. Seite 5 des Jahresabschlusses im Hefter „Einspruch 2015” der FA-Akte). Aus dem beigefügten Kontennachweis zur E-Bilanz zum 31.12.2015 geht hervor, dass sich das Schlusskapital des Kapitalkontos „Kapitalrücklage” auf EUR 150.000,- belief (vgl. Bl. 11 der ausgedruckten E-Bilanz im Hefter „Einspruch 2015” der FA-Akte). Als „Bestandteil” ist hierzu die Position „Kapitalrückl. durch Zuzahlungen in EK” mit dem vorgenannten Betrag von EUR 150.000,- aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das o.g. Schreiben des FA vom 26.05.2017 sowie den Ausdruck der E-Bilanz auf den 31.12.2015 sowie den beigefügten Kontennachweis in den Steuerakten des FA Bezug genommen.
Nach Eingang der E-Bilanz beim FA führte die Zeugin F noch im Juli 2017 eine automatisierte Prüfberechnu...