Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnung am Beschäftigungsort
Leitsatz (redaktionell)
Ein Arbeitnehmer unterhält am "Beschäftigungsort" keine Wohnung, wenn diese Zweitwohnung ca. 170km von seiner Arbeitsstätte entfernt liegt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger ist verwitwet und hat einen im Streitjahr 2012 noch minderjährigen Sohn, S. L. (geb. xx. xx 1995). Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und war im Streitjahr in einer Fünf-Tage-Woche nichtselbständig bei der A. AG mit Dienstort in der I-Straße 1, A- Stadt (Hessen) beschäftigt „Beratung und Planung”). Seine Wochenarbeitszeit betrug 38,5 Stunden.
Der Kläger unterhält mit seinem Sohn einen (Erst-)Wohnsitz in einem in seinem Eigentum stehenden Haus in der H-Straße 2, B-Stadt (NRW). Das Haus befindet sich neben land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen, die vom Kläger verpachtet werden. In B-Stadt (NRW) wohnten im Streitjahr ferner die pflegebedürftigen Eltern des Klägers sowie dessen Schwester, Frau L..
Der Kläger verfügte im Streitjahr bis zum 30. April zudem über eine (Zweit-)Wohnung in der Q-Straße 3, A-Stadt (Hessen) und bezog ab dem 1. Mai eine (Zweit-)Wohnung (97 qm) in der N-Straße 4, C-Stadt (BW) und zwar gemeinsam mit seiner seinerzeitigen Lebensgefährtin, Frau M.. Die dortige monatliche Kaltmiete betrug 1.100 €, die Nebenkostenvorauszahlung 287 €. Auf den vorliegenden Auszug des Mietvertrags wird Bezug genommen. Im Frühjahr 2013 zog der Kläger allein in eine (Zweit-)Wohnung nach D-Stadt (Hessen) um.
Mit der Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger u.a. Werbungskosten aus doppelter Haushaltsführung und zwar bis zum 30. April i.H.v. 3.372 € (Miete 1.716 €, 15 Wochenendheimfahrten (368 km) 1.656 €) und ab 1. Mai i.H.v. 13.210 € (Miete 8.800 €, 30 Wochenendheimfahrten (490 km) 4.410 €).
Im Einkommensteuerbescheid erkannte der Beklagte zwar die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung bis zum 30. April erklärungsgemäß mit 3.372 € an, nicht aber die ab dem 1. Mai entstandenen Aufwendungen. Die Wohnung in C-Stadt (BW) liege nicht mehr am Beschäftigungsort. Der Wegzug sei aus familiären Gründen erfolgt. Die Wohnung sei außerdem größer als 60 qm.
Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, er habe für ein dienstliches Projekt „P”) an diversen Terminen in den Zentren in E-Stadt (BW), F-Stadt (BW) und G-Stadt (Bayern) gearbeitet und durch den Umzug die Fahrzeiten deutlich verkürzt. Es sei von einer doppelten Haushaltsführung auszugehen. Es sei allerdings zutreffend, dass die Mietaufwendungen auf 60 qm umzurechnen seien (680 € zzgl. 240 € Nebenkosten pro Monat). Hilfsweise sei von einem Hauptwohnsitz in C-Stadt (BW) auszugehen und die Fahrten nach B-Stadt (NRW) seien bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft anzusetzen.
Im Hinblick auf die streitigen Aufwendungen blieb der Einspruch ohne Erfolg. Der Beklagte blieb dabei, dass A-Stadt (Hessen), nicht aber C-Stadt (BW) der Beschäftigungsort sei. Es liege auch keine Wegverlegung des Haupthausstandes vor. Die Fahrten zu dienstlichen Projektstandorten in Süd-Deutschland änderten am Ergebnis nichts. Es könne auch nicht hilfsweise die Wohnung in C-Stadt (BW) als Hauptwohnsitz angesehen werden. Maßgebend sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen, der in B-Stadt (NRW) liege, wohin der Kläger im Streitjahr an 45 Wochenenden zurückgekehrt sei und wo sein minderjähriger Sohn gewohnt habe.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Es treffe zu, dass der Lebensmittelpunkt in B-Stadt (NRW) gewesen sei. Die Kündigung der Wohnung in A-Stadt (Hessen) sei nicht auf eine private Veranlassung, sondern im Wesentlichen auf die Einführung der Zweitwohnungssteuer in A-Stadt (Hessen) zurückzuführen gewesen. Dass der Kläger mit seiner damaligen Lebensgefährtin, Frau M., zusammengezogen sei, sei für die doppelte Haushaltsführung unerheblich. Eine Verlegung des Lebensmittelpunktes nach C-Stadt (BW) habe zu keiner Zeit im Raum gestanden. Die Beziehung sei zudem im Frühjahr 2013 beendet worden.
Die Wohnung in C-Stadt (BW) liege auch noch „in der Nähe des Beschäftigungsortes” (i.S. von R 9.11 Abs. 4 der Lohnsteuerrichtlinien). Noch deutlicher werde dies nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 30. September 2013 zur Reform des Reisekostenrechts, wonach aus Vereinfachungsgründen noch von einer Wohnung am Beschäftigungsort ausgegangen werden könne, wenn der Weg von der Zweitunterkunft (hier: C-Stadt (BW)) zur ersten Tätigkeitsstätte (hier: A-Stadt (Hessen)) weniger als die Hälfte der Entfernung der kürzesten Straßenverbindung zwischen der Hauptwohnung (hier: B-Stadt (NRW)) und der ersten Tätigkeitsstätte betrage (Rz. 95). Das sei im Streitfall (170 km nach C-Stadt (BW), 361 km nach B-Stadt (NRW)) erfüllt. Zwar gebe es eine kürzere Verbindung auf der Landstraße (rd. 320 km). Diese sei aber verkehrstechnisch wesentlich ungünstiger. Es wäre für den Kläger nicht nachvollziehbar, wenn für 2014 eine doppelte Haushaltsführung anerkannt würde, im Streitjahr bei unverändertem Sachverhalt und gleicher Rech...