Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Abfallentsorgung berechtigt nicht zur Bildung einer Rückstellung. Körperschaftsteuer 1989

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Rückstellung wegen der nach § 3 Abs. 1 AbfG bestehenden öffentlich rechtlichen Verpflichtung zur Entsorgung von im Rahmen des Produktionsvorganges angefallenen Abfällen darf erst dann gebildet werden, wenn die Verpflichtung durch ein Handlingsgebot innerhalb eines bestimmten Zeitraumes hinreichend konkretisiert ist.

 

Normenkette

HGB § 249 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; EStG 1987 § 5 Abs. 1 S. 1; KStG 1984 § 8 Abs. 1; AbfG § 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.11.2000; Aktenzeichen I R 6/96)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob eine Rückstellung für die Entsorgung von verschmutzten Lösemitteln, nicht zu verarbeitenden Rohstoffen u. ä. zu bilden war.

Die Klägerin (Kl.) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 29.12.1986 errichtet. Sie entwickelt, produziert und verkauft Lacke und Lackfarben für industrielle Verarbeiter im Bereich der holz-, metall- und kunststoffverarbeitenden Industrie. Ihr Stammkapital beträgt 500.000 DM. Alleinige Gesellschafterin ist die Ernst … GmbH & Co. KG (KG), von der die Kl. im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit Betriebspacht- und Überlassungsvertrag vom 12.02.1987 den Grundbesitz, die immateriellen Vermögensgegenstände und den Betrieb im Sinne der organisatorischen Zusammenfassung gepachtet hat. Geschäftsführer sind Herr … Peter und Herr… beide sind alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

In ihrem Jahresabschluß für das Streitjahr wies die Kl. unter den sonstigen Rückstellungen u. a. einen Entsorgungsrückstand in Höhe von 47.492 DM aus, den sie folgendermaßen berechnet hatte:

  1. Regeneratfässer Wachs 98 Fässer à 200 Liter entsprechend einem Entsorgungsgewicht von ca. 25.480 kg; Entsorgungskosten 44,27 DM/100 kg, Belastung 11.280 DM;
  2. zu entsorgender Sondermüll

    1. 107 Fässer à 200 Liter entsprechend einem Entsorgungsgewicht von 27.820 kg; Entsorgungskosten 1,10 DM/kg, Belastung 30.602 DM;
    2. 5 Container Sondermüll mit einem Entsorgungsgewicht von insgesamt ca. 2.600 kg; Entsorgungskosten 1,10 DM/kg, Belastung 2.860 DM;
  3. zu entsorgende, nicht zu verarbeitende Rohstoffe und Fertigwaren mit einem Entsorgungsgewicht von ca. 2.500 kg; Entsorgungskosten 1,10 DM/kg, Belastung 2.750 DM.

Die Kl. hatte mit Vertrag vom 10.10./17.11.1983 die Verpflichtung zur Abfallbeseitigung der Firma … übertragen; außerdem hatte sie von dieser sieben Abfallbehälter gemietet. Ein konkreter Auftrag zum Abtransport der von der Rückstellung betroffenen Abfälle war am Bilanzstichtag noch nicht erteilt worden.

Im Rahmen einer am 07.01.1991 begonnenen Betriebsprüfung (BP) gelangte der Prüfer zu der Ansicht, daß die Rückstellung nicht anzuerkennen sei, da eine Verpflichtung zur Entsorgung noch nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei (BP-Bericht vom 08.08.1991 Tz. 15).

Dem folgte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) und erließ am 05.12.1991 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung entsprechend geänderten Körperschaftsteuer (KSt)-Bescheid 1989. Dagegen legte die Kl. mit Schreiben vom 18.12.1991 Einspruch ein, der keinen Erfolg hatte (Einspruchsentscheidung – EE – vom 19.06.1992). Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 10.07.1992, mit der die Kl. folgendes geltend macht:

Nach dem Abfallgesetz (AbfG) sei sie zur kurzfristigen Entsorgung der bei der Produktion entstandenen Abfälle verpflichtet gewesen. Da sie den Entschluß zur Entsorgung gefaßt habe, habe es sich bei den zu entsorgenden Lösemitteln, nicht zu verarbeitenden Rohstoffen u. ä. sowie dem Sondermüll um Abfall im Sinne des AbfG gehandelt. Eine weitergehende Konkretisierung der Entsorgungspflicht durch Verwaltungsakt sei nach dem AbfG nicht erforderlich; sie erfolge nur insoweit, als der Entsorgungspflichtige gegen seine Pflichten verstoßen habe. Unterbleibe eine kurzfristige Entsorgung, handele es sich um eine erlaubnispflichtige Zwischenlagerung. Ein Verstoß gegen die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Abfallbeseitigung sei straf bewährt. An der Verpflichtung zur kurzfristigen Entsorgung könne deshalb kein Zweifel bestehen.

Die Kl. beantragt,

  1. den KSt-Bescheid 1989 in der Gestalt der EE vom 19.06.1992, zugestellt am 22.06.1992, aufzuheben und die KSt 1989 von 465.127 DM um 22.620 DM auf 442.507 DM herabzusetzen,
  2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen

und macht folgendes geltend:

Bei der Verpflichtung zur Vernichtung von Sondermüll handele es sich um eine Entsorgungsverpflichtung, die öffentlich-rechtlicher Art sei. Lagere der Unternehmer Sondermüll, der im Herstellungsverfahren anfalle, so begründe die Lagerung allein noch keine Verpflichtung zur Entsorgung. Abfall entstehe erst, wenn das Unternehmen den Entschluß fasse, sich des Sondermülls zu entled...

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