Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn der Einbau zur Linderung von Krankheiten angezeigt ist, mithin medizinisch indiziert ist.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im Haus der verstorbenen Eltern des Klägers im Jahr 2005 als außergewöhnliche Belastungen. Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang.

Die am 00.00.2015 verstorbene Mutter des Klägers, U 2, war Alleinerbin ihres am 00.00.2007 verstorbenen Ehemannes, U 3, mit dem sie für das Streitjahr 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde.

Im Dezember des Streitjahres 2005 ließen der 1914 geborene Vater und die Mutter des Klägers einen Treppenlift in ihr selbstgenutztes Einfamilienhaus einbauen. Die Aufwendungen hierfür beliefen sich auf 18.664 Euro, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung 2005 als außergewöhnliche Belastungen geltend machten. Hierzu legten sie dem Beklagten ein am 05.10.2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes T vor, in dem dieser ausführt:

„Seit 9/05 besteht bei o.g. eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich.

Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben.”

Der Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen bei der Einkommensteuerfestsetzung 2005 gleichwohl nicht. Im Einspruchsverfahren legten die Eltern des Klägers zur Ergänzung ein ärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis T/N vor, das lautet:

„Wir haben die Praxis, in der Herr U 3 behandelt wird, seit 09.01.2006 übernommen. Ich selber arbeite als Hospitant seit Oktober 2005 hier mit. Zu diesem Zeitpunkt war Herr U 3 bis auf wenige Schritte bettlägerig. Die zur weitgehenden Gehunfähigkeit und Treppengangunfähigkeit führende Erkrankung ist in der Stellungnahme von Prof. Dr. med. L, A-Straße 1 in O beschrieben.

Somit ist nach Aktenlage eine Gehunfähigkeit für Treppensteigen über mehrere Stufen hinaus ab Sommer 2005 belegt, aus eigener Erkenntnis ab Oktober 2005 sicher.”

Unterzeichnet ist das Attest von N.

Einspruch und Klage (FG Münster, Urteil vom 19.11.2010 14 K 2520/10 E, EFG 2011, 1319) waren erfolglos, da es an einem ausreichenden Nachweis der medizinischen Notwendigkeit für den Einbau des Treppenlifts fehle. Die Bescheinigungen der behandelnden Ärzte reichten insoweit nicht aus. Der Bundesfinanzhof hob das klageabweisende Urteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück (Urteil vom 05.10.2011 VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39). Am Erfordernis einer vor der Maßnahme erfolgten amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit halte der Senat nicht länger fest.

Im nachgehenden Verfahren 11 K 3982/11 E wies das Finanzgericht die Klage durch Urteil vom 18.09.2012 erneut ab (EFG 2013, 44). Für die geltend gemachten Aufwendungen sei ein Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor der Maßnahme eingeholtes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung gem. § 64 Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 erforderlich. Der Bundesfinanzhof hob das klageabweisende Urteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück (Urteil vom 06.02.2014 VI R 61/12, BStBl. II 2014, 458).

Im nunmehr 3. Rechtsgang hat der Kläger weitere ärztliche Bescheinigungen bzw. Äußerungen der seinen Vater behandelnden Ärzte vorgelegt, im Einzelnen die Arztbriefe von Prof. Dr. med. C, Internist und Kardiologe, vom 09.01.2001 (Blatt 15 ff der Gerichtsakte), vom 13.03.2003 (Blatt 18 ff der Gerichtsakte), vom 13.04.2005 (Blatt 21 ff der Gerichtsakte) und vom 07.04.2015 (Blatt 68 ff der Gerichtsakte), von Dr. D vom 07.06.2005 (Blatt 54 ff der Gerichtsakte) und von Prof. Dr. L, Facharzt für Orthopädie, vom 31.10.2015.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid vom 24.01.2007 und die Einspruchsentscheidung vom 07.06.2010 zu ändern und außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 18.664 Euro zu berücksichtigen, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Senat hat in der Sache am 11.02.2016 mündlich verhandelt und Herrn Prof. Dr. med. C als sachverständigen Zeugen und Frau Dr. med. R als Sachverständige gehört. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verle...

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