Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverwaltung; Frage der Festsetzung von in diesem Zeitraum entstandenen Vorsteuererstattungsansprüchen im Unternehmensteil Insolvenzmasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Der erkennende Senat schließt sich der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wonach das Unternehmen – bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts – nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen besteht, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können.
2. Ein Vorsteuerüberhang führt zu einem Steuervergütungsanspruch zugunsten des Unternehmens des Insolvenzschuldners und gerade nicht zu einer Verbindlichkeit i.S. einer Zahllast.
Normenkette
UStG § 15; InsO § 55 Abs. 4; UStG § 16 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob während der Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründete Vorsteuererstattungsansprüche im Rahmen des Unternehmensteils Insolvenzmasse festzusetzen sind.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma I & C GmbH & Co. KG (im Folgenenden: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin unterhielt einen Betrieb zur Herstellung von Bergbauzuliefererprodukten.
Das Amtsgericht F bestellte den Kläger mit Beschluss vom 00.08.2017 (000 IN 00/17) zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts zum vorläufigen Insolvenzverwalter (§§ 21, 22 Insolvenzordnung (InsO)). Das Amtsgericht ordnete an, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Klägers wirksam sein sollten (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO). Schuldnern der Insolvenzschuldnerin (Drittschuldnern) wurde verboten, an die Insolvenzschuldnerin zu zahlen. Der Kläger wurde ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Insolvenzschuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 21 Abs. 1 Satz 3 InsO). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts F vom 00.08.2017 (Bl. 8 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts F vom 00.11.2017 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts F vom 00.11.2017 (Bl. 12 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Der Kläger übermittelte am 10.11.2017 folgende Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung (00.08.2017 bis 00.10.2017) für den Unternehmensteil der Insolvenzmasse elektronisch an den Beklagten (Bl. 119 ff., Bl. 123 ff., Bl. 174 ff. der USSP-Akte):
Voranmeldungs-zeitraum |
Stpfl. Umsätze |
USt |
Vorsteuer |
VoSt-Überhang |
August 2017 |
107,00 € |
20,33 € |
908,49 € |
-888,07 € |
September 2017 |
26.742,00 € |
5.080,98 € |
30.329,67 € |
-25.248,58 € |
Oktober 2017 |
3.920,00 € |
744,80 € |
51.602,43 € |
-50.857,63 € |
Summe |
30.769,00 € |
5.846,11 € |
82.840,59 € |
-76.994,28 € |
Der Beklagte führte daraufhin ab dem 15.01.2018 eine Umsatzsteuersonderprüfung bei der Insolvenzschuldnerin durch. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die angemeldeten Vorsteuern in Höhe von 82.840,59 € nicht bei der Insolvenzmasse steuerlich zu berücksichtigen, sondern dem vorinsolvenzrechtlichen Vermögensteil zuzurechnen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 18.01.2018 (Bl. 17 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Mit Bescheid vom 24.01.2018 lehnte der Beklagte die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume August 2017 bis Oktober 2017 unter Verweis auf den Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 18.01.2018 ab (Bl. 22 f. der Gerichtsakte, Bl. 21 der Umsatzsteuerakte).
Hiergegen legte der Kläger am 20.02.2018 Einspruch ein (Bl. 26 ff. der Gerichtsakte). Im Streitzeitraum sei ein Vorsteuerüberhang zu Gunsten der Insolvenzmasse in Höhe von 76.994,28 € (Umsatzsteuer 5.846,11 € abzüglich Vorsteuern 82.840,59 €) entstanden. Dieser Rotbetrag aus dem Vorverfahren müsse mit den Umsatzsteuerverbindlichkeiten aus dem Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnet werden können. Die entgegenstehende Auffassung des FG Münster (Urt. vom 26.01.2017, 5 K 3730/14 U) zu § 55 Abs. 4 InsO führe zu einem insolvenzrechtswidrigen Privileg für den Fiskus und verstoße gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger. Zudem stehe sie in Widerspruch zu § 16 UStG. Ferner sei das fortgeführte Unternehmen bereits mit Anordnung der Sicherungsmaßnahmen und des Zustimmungsvorbehalts des vorläufigen Insolvenzverwalters der freien Verfügungsbefugnis des Schuldners entzogen. Zudem rügt der Kläger rechnerische Unstimmigkeiten sowie die fehlende Bestimmtheit des Prüfungsberichts und des nachfolgenden Bescheids. Es sei nicht klar, wann und aus welchem Unternehmensteil ...